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Gold oder politisches Geld - der aktuelle Streit um die Goldreserven verweist auf politische und philosophische Grundfragen dieser Zeit. Das Bankenwesen gibt sich hierbei immer mehr als selbstherrliches und metaphysisches Konzept. Dementsprechend gewinnt die Bank und der Glaube ans Geld zumeist sakralen Charakter. Die Logik der Finanztechnik ersetzt die politische Entscheidung und wird zum weltbeherrschenden tragischen Faktor. Die Islamische Zeitung versucht diesen einheitlichen Zusammenhang einmal mehr deutlich zu machen.
"Nicht alle Menschen glauben an Gott, aber alle an die
Bundesbank" das bekannte Bonmot von Jacques Delors ist nicht nur eine
sorgsam ausgewählte Ironie eines Politikers, sondern auch eine unbewußt
ausgesprochene metaphysische Grundaussage. Hatte Hobbes den von ihm verfaßten
modernen Staat als "sterblichen Gott" tituliert, der alle ursprünglichen
Erwartungen des Menschen an den christlichen Gott zu erfüllen hat, so ist
heute diese Funktion von den Banken und ihren Symbolen übernommen. Dies
wird immer mehr Muslimen und Nichtmuslimen bewußt. Auch in der faktischen
Alltäglichkeit des Bürgers hat die Bank, und damit Kapital, Schuld und
Kreditwürdigkeit eine metaphysische und pseudo-religiöse Dimension
bekommen. Demzufolge ist die "Bank" und ihre Wirklichkeit immer mehr
eine sakrale Stätte und wesentlicher Bestandteil der modernen Identitätstiftung.
Wenn auch mit großem Werbeaufwand dieses Bild verhindert werden soll, der
Normalbürger ordnet sich nirgendwo im Staate - oder in seiner überkommenen
Metaphysik - so fundamental unter als gegenüber seiner Bank. Für immer
mehr Menschen entscheidet sich dort in ihrer subjektiven Erfahrung ihr
Schicksal. Denn ohne Kreditkarte werden sie in die Kaste der Kreditunwürdigen
absteigen.
Diese Umstände werden durch das Zitat des
Europapolitikers Delors mitumschrieben und geben der Aussage den markanten
Gehalt. Demzufolge ist die Bundesbank als höchste Bank der Hüter und
Garant des Wohlstands, deren geheimnisvolle und sagenumwobene Geldpolitik die
eigentliche Sicherheit im Staate wiederspiegelt. Daß die Bundesbank einen
mindestens unabhängigen Partner der Politik darstellt, wird in diesen Tagen
überaus deutlich. Man liest mitunter sogar die Feststellung, die Bundesbank
sei eine im Prinzip durch Politiker nicht einzunehmende Festung. Bereits 1956
hatte Konrad Adenauer nüchtern festgestellt "wir haben hier ein Organ,
das niemandem verantwortlich ist, auch keinem Parlament, auch nicht einer
Regierung". Dies ist auch gesetzlich und verfassungsmäßig
abgesichert, denn ¤ 12 BundesbankG legt fest: " Die deutsche
Bundesbank ist von Weisungen der Bundesregierung unabhängig". In der öffentlichen
Diskussion wurden diese Umstände bisher kaum beleuchtet, wenngleich die
ersten Parlamentarier - wenn auch vergeblich - nach einer stärkeren
Kontrolle des Parlamentes gegenüber den Banken rufen.
Mit anderen
Worten ist die Bundesbank heute ein unabhängiges Machtorgan, ohne
entsprechende effektive Kontrolle durch die gewählte Regierung. Darüberhinaus
bleibt die ungeheure wie unkontrollierte faktische Macht der Finanzinstitutionen
überhaupt in Deutschland eigentümlich unreflektiert. Hierin liegt aber
eine der bisher ungesehenen, aber notwendig aufzuwerfenden politischen
Grundfragen der Zeit. Nicht zuletzt durch die berühmt-provokante "Peanuts"-
Floskel des Bundesbankchefs Köpper ist die allgegenwärtige Macht der
Banken stärker in das Bewußtsein der Deutschen getreten. Die offene
Abhängigkeit von den undurchschaubaren Geldinstituten stimmt so manchen
politisch Interessierten inzwischen nachdenklich. Gleichwohl findet er in den
politischen Magazinen und Sendungen - ihrerseits ökonmisch verbunden mit
diversen Kreditinstituten - wenig Aufhellendes über diese innere
Zentrierung unserer modernen Gesellschaft. Durch den tagespolitischen Lärm
um das monotone Auf und Ab der Politikerklasse versinken diese wesentlicheren
Fragen über die aktuelle Machtverteilung. Schon gar nicht wird die
moralische Frage aufgeworfen, inwieweit europäische Banken die
Lebenswirklichkeit der dritten Welt entscheidend und verantwortlich
mitbestimmen.
Aber auch ein anderes wichtiges Phänomen ist durch den
Streit um die Einschätzung der Goldreserven stärker in den Blickwinkel
geraten. Der Streit ums Gold zeigt, daß Papiergeld ein politisches
Instrument darstellt und dementsprechend als Gegenwert politisch eingeschätzt
werden kann. Demgegenüber stellt Gold einen unbestechlichen Wert an sich
dar und kann eben nicht willkürlich hoch oder niedrig taxiert werden. Nach
wie vor gilt daher Gold als echte "Sicher-heit", während nicht
nur die Deutschen der Einführung des bunten und labilen ECU höchst
verunsichert entgegensehen. Jedermann spürt, daß durch die Einführung
des ECU die Unsicherheiten des Finanzmarktes weiter drastisch zunehmen werden.
Auch die Einführung einer zentralistischen EG-Superbank in Frankfurt kann
daher kein Vertrauen in die neue Einheitswährung bringen. Da schon das
EG-Parlament keine politische Macht entfaltet und die Exekutive der EG eher
monarchisch verfaßt ist, wird auch der ECU weder Instrument noch der erklärte
Wille des europäischen Wählervolkes sein. Demzufolge wird auch dieser
historische Schritt einer Währungseinführung - wie in den
Jahrhunderten zuvor - nicht durch eine Volksabstimmung legitimiert werden.
Es gehört zu den anspruchsvollen Themen des heutigen politischen
Diskurses, ob die Wahl der Währung nicht in sich ein dem Volk zugehöriges
"Freiheitsrecht" darstellt. Fakt ist, daß Währung ein
politisches Machtinstrument darstellt. "Die Macht hat, wer die Währung
bestimmt", ist ein uralter Grundsatz der Politik und der Herrschaft. Dieser
Grundsatz gilt heute mehr denn je.
Imam Malik - im großen Rechtsbuch al-Muwatta - definiert daher in
erschütternder Aktualität eine andere, islamische Sichtweise des
Geldes, indem er dieses entmythifiziert mit der Feststellung "Geld ist
jedes Gut, das als Austauschmittel akzeptiert wird" und daher der freien
Verfügungsgewalt der Menschen untersteht. Eine monopolistische Einheitswährung
ist dem Islam dem Wesen nach fremd und suspekt, da es das Grundrecht auf ökonomische
Freiheit entscheidend beschränkt. Es ist die lokale Freiheit der Menschen, über
ihre eigene Währung zu entscheiden.
Dramatisch ist auch die Erkenntnis islamischer Rechtsgelehrten, daß
der Zakat nur in der authentischen Goldwährung erhoben werden kann und
daher eine der wichtigsten Säulen des Islam in dieser Zeit faktisch
verloren ging. Eine nach wie vor unübertroffene Ignoranz und Unkenntnis der
Bedeutung des Zakat spiegel die Auffassung wieder, man könne den Zakat
bequem per Banküberweisung bezahlen. Die islamsiche Welt hat heute
praktisch beinahe vollständig ihre Rechtsgrundsätze über die Ökonomie
verloren oder aber pervetiert. Auch in den Auseinandersetzungen in der Türkei
hat das "Papiergeld" eine entscheidende Rolle. Die türkische Lira
ist heute das Symbol für die Unfähigkeit der Türkei, eine eigene
souveräne Rolle im Konzert der Großen zu spielen. Der türkische
Ministerpräsident - Necmettin Erbakan - hatte immer wieder für den
Machtzerfall und den Verlust der Souveränität der Türkei die säkulare
türkische Lira mitverantwortlich gemacht. Diese Währung steht heute für
den geschichtlichen Verlust der Finanzhoheit der Türkei.
Quelle: Islamische Zeitung, Nr: 13