Umar
Der zweite Kalif des Islam
Umars Jugend
Die Sendung des
Propheten Muhammad, Allahs Segen und Friede auf ihm, befand sich noch im Anfangsstadium;
der Islam war noch schwach und hilflos. Die Oberen von Makka waren gegen ihn. Eines Nachts
stand der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, in Gedanken versunken in der Al-Ka'ba.
Da erhob er seine Hände zum Himmel:
"O Allah unser Gott", betete er, "mache den Islam stark durch einen der
zwei Männer, 'Amr Ibn Hisam oder 'Umar Ibn Al-Hattab!"
Das Bittgebet des
Propheten Muhammad, Allahs Segen und Friede auf ihm, wurde erhört. Allah (t) erwählte
'Umar Ibn Al-Hattab, dem Islam zu dienen. 'Amr Ibn Hisam starb wie Abu Gahl (=Vater der
Unwissenheit), aber 'Umar sollte eine Säule des Islam werden.
'Umar war 12 Jahre
jünger als der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm. Er war der Sohn Al-Hattabs,
seine Mutter hieß Hatima. Er stammte von den Banu 'Adyy ab, einem Zweig der Qurais. Die
Banü 'Adyy genossen großes Ansehen. Sie waren die Wortführer in den Verhandlungen der
Qurais mit anderen Stammen. Sie schlichteten auch als Richter deren Streitigkeiten.
Schon in früher
Jugend erhielt 'Umar eine Ausbildung im Kriegshandwerk und erlernte auch die Kunst der
öffentlichen Rede. Schon früh zeigte er ungewöhnlichen Mut und Offenheit. Er war
lernbegierig und ernsthaft in allem, was er unternahm. Diese Eigenschaften machten ihn
schon in jungen Jahren im Lande bekannt. Seine Handelsgeschäfte führten ihn in andere
Länder; und diese Reisen verschafften ihm ein umfassendes Wissen und ein großes
Verständnis für Menschen und Dinge.
Umar
nimmt den Islam an
Als dem
Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, seine Sendung offenbart wurde, war 'Umar 27
Jahre alt. Der junge 'Umar kümmerte sich nicht um die Botschaft des Islam; denn er war
für die gewohnte Lebensweise. Im Laufe der Jahre machte der Islam langsam Fortschritte.
Das ärgerte 'Umar. Die Leute, die den Islam angenommen hatten, kehrten nie zu ihrem alten
Glauben zurück, was die Oberen von Makka auch immer dagegen tun mochten. Als eine von
'Umars Dienerinnen Muslime geworden war, schlug er sie heftig. Aber sie wollte nicht von
ihrem neuen Glauben ablassen. Als im sechsten Jahr der Sendung des Propheten, Allahs Segen
und Friede auf ihm, eine Anzahl von Muslimen nach Abessinien aufbrach, kochte 'Umar vor
Wut. "Da ist ein Mann", dachte er, "der das Volk gespalten hat. Es lebte
friedlich dahin. Dann erschien er und riß den Sohn vom Vater und den Bruder vom Bruder.
Nun rennen seine Anhänger in ein anderes Land. Nur Muhammad ist die Ursache all dieser
Unruhe. Ich muß ihn töten, um dem Verdruß ein Ende zu machen."
Mit diesem Entschluß
nahm 'Umar sein Schwert und zog aus, um den Gesandten Allahs, Allahs Segen und Friede auf
ihm, zu töten. Unterwegs traf er einen Freund, der ihn fragte, warum er so verwirrt
dreinschaue. 'Umar sagte ihm, was er zu tun gedenke.
"Du solltest
erst einmal auf deine eigene Verwandtschaft achten", sagte der Freund. "Deine
Schwester und ihr Mann haben den Islam angenommen!"
Durch diese Worte
wurde 'Umars Zorn in eine andere Richtung gelenkt. Er ging geradewegs zum Haus seiner
Schwester Fatima Bint Al-Hattab und klopfte an die Tür. Drinnen rezitierte jemand den
Qur'an. Fatima erschrak, als sie 'Umars Stimme hörte. Sie versteckte die Qur'an-Blätter,
in denen sie gerade gelesen hatte, und öffnete die Tür.
"Was hast du
gerade aufgesagt?" fragte 'Umar.
"O,
nichts", sagte die Schwester.
"Wieso
nichts?" rief er zornig aus, "ich habe alles genau gehört. Ich weiß, daß ihr
beide Muhammads Glauben angenommen habt."
Während er dies
sagte, begann er seinen Schwager Sa´id zu schlagen. Fatima kam diesem zu Hilfe und bekam
einen Schlag auf den Kopf, so daß er zu bluten anfing. Dies machte das Paar erst recht
mutig;
"Ja, wir sind
Muslime geworden", schrien sie 'Umar an, "mach, was du willst! "
Der Anblick der
blutenden Schwester berührte 'Umar sehr. Fatima war eine so liebe Schwester! Sicher
mußte im Qur'an etwas Wahres enthalten sein, das ihr unschuldiges Herz gewonnen hatte.
"Würdest du
mich einen Blick in den Qur'an werfen lassen?" fragte 'Umar.
Nach langem Zögern
händigte ihm Fatima die wenigen Blätter des Qur'an aus, die sie besaß und die die
ersten acht Verse aus der 57. Sura enthielten.
'Umar setzte sich, um
diese Seiten zu studieren. Sein Gesichtsausdruck änderte sich bald, und sein Zorn kühlte
sich ab, als er die ersten acht Verse las, welche lauten: "Im Namen Allahs, des
Allerbarmers, des Barmherzigen! Es preist Allah, was in den Himmeln und was auf der Erde
ist, und Er ist der Erhabene, der Allweise. Sein ist das Königreich der Himmel und der
Erde. Er macht lebendig und läßt sterben, und Er hat Macht über alle Dinge. Er ist der
Erste und der Letzte, der Sichtbare und der Verborgene, und Er ist der Kenner aller Dinge.
Er ist es, Der die Himmel und die Erde in sechs Tagen erschuf, dann wandte Er Sich
majestätisch Seinem Reich zu. Er weiß, was in die Erde eingeht und was aus ihr
hervorkommt, was vom Himmel herniederkommt und was zu ihm aufsteigt.
Und Er ist mit
euch, wo immer ihr (auch) sein möget. Und Allah sieht alles, was ihr tut. Sein ist das
Königreich der Himmel und der Erde; und zu Allah werden alle Dinge zurückgebracht. Er
läßt die Nacht in den Tag und den Tag in die Nacht eintreten; und Er ist der Kenner all
dessen, was (ihr) in den Herzen hegt. Glaubt an Allah und Seinen Gesandten und spendet von
dem, zu dessen Erben Er euch gemacht hat. Und jenen von euch, die glauben und spenden,
wird ein großer Lohn zuteil sein. Was ist euch, dass ihr nicht an Allah glaubt, obwohl
der Gesandte euch aufruft, an euren Herrn zu glauben; und Er hat von euch bereits ein
Versprechen abgenommen, wenn ihr Gläubige seid."
Die Furcht vor Allah
(t) ergriff 'Umars Herz. Er weinte und erklärte: "Sicher, dies ist das Wort Allahs.
Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist!" ´Umar setzte
seinen Weg zum Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, weiter fort, aber jetzt war er
ein verwandelter Mann.
Jetzt ging er nicht
zu ihm, um ihn zu töten, sondern um vor ihm seinen Glauben kundzutun.
Der Prophet, Allahs
Segen und Friede auf ihm, saß mit einigen Männern zusammen. Als er 'Umar kommen sah,
fragte er ihn:
"'Umar, was
führt dich zu mir?"
'Umar antwortete:
"O Prophet Allahs, ich komme, um den Islam anzunehmen."
Die Freude des
Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, und seiner Anhänger war groß. Laute Rufe
"Allahu akbar!" schallten durch Makka. Bald wußte jeder, daß 'Umar kein Feind
des Islam mehr war. Es war ein großer Tag für den Islam, weil einer seiner ärgsten
Feinde sein fester Anhänger geworden war.
Der Übertritt
'Umars brachte für den Islam eine Wende. Vorher mußten die Muslime in ständiger Furcht
vor den Ungläubigen leben. Einige hatten ihren Glauben sogar vor den Makkanern
verheimlicht. Sie konnten ihre Gebete nicht in der Öffentlichkeit verrichten. Dies alles
änderte sich, nachdem 'Umar Muslim geworden war.
Als erstes rief 'Umar
die Oberen von Makka zusammen, und vor dieser Versammlung erklärte er, ein Anhänger des
Islam zu sein. Man starrte ihn schweigend an, niemand konnte ein Wort der Entgegnung
herausbringen.
Dann bat 'Umar den
Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, in der Al-Ka'ba beten zu dürfen. Er selbst
führte einen Teil der Muslime dorthin. Eine zweite Gruppe wurde von Hamza (r) geführt.
Als alle beisammen waren, wurden die Gebete unter der Leitung des Propheten, Allahs Segen
und Friede auf ihm, gemeinsam verrichtet. Dies war das erste Gebet dieser Art in der
Al-Ka'ba.
Vor der Auswanderung
nach Al-Madina ereignete sich das gleiche. Die meisten Muslime verließen Makka still und
heimlich mit Ausnahme von 'Umar (r). Er legte seine Waffen an, ging zur Al-Ka'ba und
betete dort. Die Oberen von Makka schauten ihm schweigend zu. Nach dem Gebet rief er ihnen
laut zu:
"Jetzt ziehe
ich nach AI-Madina. Wer mich daran hindern will, soll mich jenseits des Tals treffen.
Seine Mutter wird ihn gewiß trauernd beweinen."
Trotz dieser
Herausforderung wagte es kein Makkaner, 'Umar aufzuhalten. Dies brachte 'Umar den Beinamen
"Al-Faruq" ein. "Al-Faruq" heißt einer, der zwischen Wahrheit und
Lüge unterscheidet bzw. eine Änderung herbeiführt. Durch 'Umars Übertritt zum Islam
erfuhren dieser und seine Anhänger einen großen Wandel.
Verehrung für den Propheten
In allen Schlachten und Unternehmungen stand 'Umar dem
Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, zur Seite.
Seine Liebe zu Allah und Seinem Propheten war groß, stärker als Blutsbande oder
Freundschaft.
Beim Kampf von Uhud
befand sich der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, mit seinen Sahaba auf einem
nahegelegenen Hügel. Als Halid versuchte, sie anzugreifen, stieß 'Umar mit einem Teil
der Muslime vor und schlug ihn zurück. Da rief Abu Sufyan aus: "Ist Muhammad am
Leben?"
Der Prophet, Allahs
Segen und Friede auf ihm, untersagte seinen Männern zu antworten. Abu Sufyan fragte
wieder:
"Dann sind also
Muhammad, Abu Bakr und 'Umar alle tot?"
Da konnte 'Umar nicht
länger ruhig bleiben und rief zurück:
"O Feind Allahs,
wir sind alle wohlauf!"
Bei der Einnahme von
Makka nahm der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, den Treueschwur der Männer
selbst entgegen und bat 'Umar, den Treueid der Frauen entgegenzunehmen. 'Umars Tochter
Hafsa (r) war eine von Muhammads Frauen.
Einmal war der
Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, unzufrieden mit ihnen. Einige Wochen lang ging
er zu keiner von ihnen und blieb allein. Er wollte mit niemandem darüber sprechen. Eines
Nachmittags suchte 'Umar (r) den Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, auf. Der
Diener sagte
jedoch, er dürfe
niemanden hineinlassen. Darauf sagte 'Umar laut:
"Bitte sage dem
Gesandten Allahs, daß ich nicht gekommen bin, um für Hafsa zu sprechen. Wenn es der
Prophet will, schlage ich ihr den Kopf ab und lege ihn ihm zu Füßen."
Als der Prophet,
Allahs Segen und Friede auf ihm, diese Worte hörte, gestattete er 'Umar einzutreten.
'Umars Ansichten
über die meisten Dinge waren sehr ausgewogen. Oft geschah es, daß 'Umar (r) eine andere
Meinung als die anderen Sahaba hatte.
Nicht selten wurden
dann seine Ansichten nachträglich durch später offenbarte Qur'an-Verse unterstützt. So
kam es, dass der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, den Worten 'Umars große
Beachtung schenkte. Diese Hochachtung fand ihren Ausdruck darin, daß er einmal sagte:
"Wenn nach mir noch ein Prophet zu kommen hätte, würde es gewiß 'Umar sein."
Als der Prophet,
Allahs Segen und Friede auf ihm, das Unternehmen Tabuk vorbereitete, unterstützte das
Volk dieses Vorhaben mit Geld. 'Umar (r) gab die Hälfte seines gesamten Vermögens ab.
'Umars Verehrung für
den Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, brachte ihn ihm sehr nahe. Um ihn noch
mehr an sich zu binden, heiratete der Prophet 'Umars verwitwete Tochter Hafsa. Sie hatte
einen schwierigen Charakter, und 'Umar befürchtete daher, daß sie den Rest ihres Lebens
als Witwe verbringen müßte. Als der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, davon
hörte, nahm er sie selbst zur Frau. Der Tod des Propheten, Allahs Segen und Friede auf
ihm, war ein schwerer Schlag für 'Umar. Er konnte nicht glauben, daß Muhammad, Allahs
Segen und Friede auf ihm, tot sein sollte, zog sein Schwert und schwor, jedem den Kopf
abzuschlagen, der behaupte, der Gesandte Allahs sei tot - so hatte der Kummer ihn
überwältigt. Ein Leben ohne den Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, war für ihn
undenkbar. Und was sollte aus dem Islam und seinen Anhängern werden, wenn der Prophet
wirklich tot war, wie
das Volk sagte? Diese
finsteren Gedanken verdunkelten seinen Verstand. Erst als Abu Bakr (r) ihn an die klare
Aussage des Qur'an über diesen Punkt erinnerte, fand er wieder zu sich selbst. Während
seines Kalifats verließ Abu Bakr (r) sich auf den Rat 'Umars. Das resultierte daraus,
daß der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, zu seinen Lebzeiten 'Umars Worten so
große Bedeutung beigemessen hatte.
Nach Halid war Al-Mutanna Ibn Harita Oberbefehlshaber der islamischen
Streitkräfte in Al-Hira im Irak. Er wurde vom Feind angegriffen, schlug jedoch den
Vorstoß zurück. Es tauchten aber Gerüchte auf, daß die Perser einen weiteren schweren
Schlag vorbereiteten. Deshalb kam Al-Mutanna Ibn Harita nach AI-Madina, um dem Kalifen die
Lage zu schildern. Einen Tag nach der Ankunft AI-Mutannas verstarb Abu Bakr (r). Aber vor
seinem Tod hatte er 'Umar ans Herz gelegt, in erster Linie an den Irak zu denken.
Bald kamen die
Menschen aus allen Teilen des Landes nach AI-Madina, um dem neuen Kalifen ihre Treue zu
geloben. 'Urnar nutzte ihre Anwesenheit, um mit ihnen zu sprechen und sie zu überzeugen,
daß ihre Teilnahme am irakischen Feldzug notwendig sei. Aber die meisten Leute waren der
Meinung, daß Halid Ibn Al-Walid der einzige Mann sei, der mit dem Feind fertig werden
könne. Sie zweifelten am Erfolg eines Feldzuges, der nicht von Halid geleitet würde.
'Umar fuhr jedoch fort, seine Gedanken dem Volk eindringlich nahezubringen. Er wollte die
falsche Vorstellung ausmerzen, daß der Islam nur auf einen bestimmten Mann angewiesen
sei, so hervorragend dieser auch sein mag. Schließlich erklärte Abu 'Ubaida Ibn
Al-Garrah (r), Oberhaupt der Banu Taqif, daß er für die Sache Allahs kämpfen wolle, und
viele Männer folgten daraufhin seinem Beispiel. Abu 'Ubaida erhielt das Oberkommando für
die Kämpfe im Irak.
Sieg über Gaban und Nursyy
Die Niederlagen der Perser im Irak ließen ihre Herrscher verzweifeln. Die
Führer begruben ihre Streitigkeiten und trafen sich zu Beratungen. Nach vielen
Überlegungen krönten sie die Prinzessin Puran Duukht zur Kaiserin und ernannten den
wohlbekannten Adligen Rustum zu ihrem obersten Minister und Oberbefehlshaber der
Streitkräfte. Als erstes nahm Rustum die Grenzbezirke wieder in Besitz, die in die Hände
der Muslime gefallen waren. Dann sandte er zwei große Heere aus unter der Führung von
Gaban und Nursyy, zwei Männern, die in der Kriegsführung sehr erfahren waren. Nursyy war
ein Prinz und Gaban ein Mann von hohem Adel.
Abu 'Ubaida führte
die erste Schlacht gegen Gaban bei Namariq. Gaban wurde völlig besiegt und von einem
muslimischen Soldaten gefangengenommen, der nicht wusste , wer sein Gefangener war. Gaban
sagte zu ihm: "Ich bin ein alter Mann, laß mich gehen. Ich werde dich dafür gut
bezahlen."
Der Soldat willigte
ein. Bald darauf wurde Gaban aber von einem anderen Soldaten erkannt, und man schleppte
ihn vor Abu 'Ubaida. Gaban berichtete ihm von dem Handel, den er mit einem seiner Männer
gemacht hatte. Die meisten der Anwesenden verurteilten diese Handlungsweise mit scharfen Worten,
aber Abu 'Ubaida sagte: "Wir müssen ein einmal von uns gegebenes Wort halten. Der Islam
erlaubt uns nicht, unser Wort zu brechen."
So erhielt Gaban
seine Freiheit wieder.
Die Perser, die von
Namariq geflohen waren, stießen zur Armee Nursyys. Aber Nursyy wurde ebenfalls besiegt.
Beide Siege waren von Nutzen für den Grenzbereich. Die Oberen und Edlen dieser Bezirke
erschienen vor Abu 'Ubaida (r), um ihm Treue zu geloben.
Ein
Beispiel für die Gleichheit im Islam
Einige der Oberen
brachten nach ihrer Unterwerfung ausgewählte Speisen für Abu 'Ubaida.
"Sind diese
Gerichte für mich oder für die ganze Armee?" fragte er.
Sie erwiderten, es
sei schwierig, in so kurzer Zeit für das ganze Heer Essen zuzubereiten. Aber Abu 'Ubaida
sagte: "Diese Männer sind genauso wie ich bereit, ihr Blut im Kampf zu vergießen.
Also muß auch ich bereit sein, das gleiche zu essen wie sie."
Solche Worte hatten
die stolzen Herren noch nie gehört, da sie einen anderen Lebensstil in Persien gewohnt
waren. Die muslimische Lebensweise versetzte sie über alle Maßen in Erstaunen.
Die Schlacht bei der Brücke
Die Niederlagen
von Gaban und Nursyy schreckten Rustum auf: er mußte etwas gegen die Muslime unternehmen.
Sogleich stellte er ein gewaltiges Heer unter dem Befehl seines tapfersten Generals Bahman
Dschaduya auf und übergab ihm die berühmte Durfasch-i-Kawayani, die heilige Flagge
Persiens, die nur bei ganz besonderen Anlässen herausgegeben wurde.
Im Monat Sa'ban im
Jahre 13 n.H. rückte Abu 'Ubaida gegen Bahman vor. Der Euphrat trennte die beiden Heere.
Bahman fragte Abu 'Ubaida, welches der beiden Heere übersetzen solle. Die muslimischen
Heeresführer wollten gern auf ihrer Flußseite bleiben. Aber Abu 'Ubaidas Selbstvertrauen
war so groß, daß er sich entschloß, jenseits des Flusses zu kämpfen. Die Muslime
überquerten daraufhin den Fluß auf einer aus Booten gebauten Brücke. Hier waren sie
jedoch erheblich im Nachteil: Das Gelände war uneben, so daß das Heer sich nicht frei
bewegen konnte. Das schlimmste aber war, daß die Perser durch eine dicke Mauer von
Elefanten geschützt waren. Die arabischen Pferde hatten nie zuvor so große Tiere
gesehen; sie scheuten und waren schwer zu zügeln.
Als Abu 'Ubaida das
sah, befahl er seinen Männern, abzusitzen. Mit ihren Schwertern zerschnitten sie die
Stricke der auf den Elefanten befestigten Sitze, brachten so die Reiter zu Boden und
töteten sie. Aber die Elefanten selbst blieben ein Problem. Sie trampelten die Männer zu
Tode. Ein weißer Elefant, der Anführer der Herde, wurde zum Schrecken der Soldaten.
Überall, wo er auftauchte, wurden die Muslime von Panik ergriffen, und ihre Linien
brachen zusammen. Abu 'Ubaida mußte etwas unternehmen: So trennte er mit einem
Schwertstreich den Rüssel des Elefanten ab. Im nächsten Augenblick trampelte das
wütende Tier den Oberbefehlshaber der Muslime zu Tode. Sein Bruder sprang vor, um die
Standarte zu halten, aber er erlitt das gleiche Schicksal. Auf gleiche Weise fielen
nacheinander sieben Verwandte Abu 'Ubaidas.
Dadurch verlor das
muslimische Heer seinen Kampfgeist. Sie wollten fliehen, aber die Brücke war nicht mehr
da. Sie war von einem jungen Mann der Banu Taqif abgebrochen worden, um die muslimischen
Soldaten an der Flucht zu hindern. Die Lage schien hoffnungslos. Nun hatte Al-Mutanna Ibn
Harita den Oberbefehl, Er ordnete an, die Brücke wieder herzustellen. Inzwischen hielt er
den Feind zurück. Trotzdem erlitt das islamische Heer schwere Verluste. Fast 4000 Mann
ertranken im Fluß; von einer Armee mit 9000 Mann konnten sich nur 3000 retten.
Vorbereitung
zur Vergeltung
'Umar (r) war sehr
traurig über die Niederlage. Der Verlust so edlen Lebens bewegte ihn sehr. Er forderte
verschiedene Stämme durch Boten auf, unter dem Oberbefehl von Al-Mutanna Ibn Harita zu
kämpfen, und es dauerte nicht lange, bis Al-Mutanna genügend Männer beisammen hatte, um
den Kampf wieder aufzunehmen. Diesmal wählte Rustum den General Mehran zum Kampf gegen
die Muslime. Dieser General hatte langjährige Erfahrung und kannte die arabische
Kriegsführung. Rustum war überzeugt, daß Al-Mutanna Ibn Harita kein leichtes Spiel
gegen Mehran haben würde. Um ganz sicher zu gehen, stellte er 12.000 Mann der
kaiserlichen Garde unter Mehrans Befehl. Die beiden Heere trafen sich da, wo heute
Al-Küfa steht. Wieder trennte sie der Euphrat. Mehran fragte Al-Mutanna, ob er
übersetzen wolle; er verneinte. Nun setzte das persische Heer über den Fluß.
Die Schlacht begann.
Es war ein verbissener Kampf: Die Perser waren zahlenmäßig um ein Mehrfaches überlegen,
doch die Muslime kämpften verzweifelt. Mit erstaunlichem Wagemut stießen sie mitten in
die persischen Heere. Ein junger Mann der Banu Taglib erkannte Mehran. Er stürzte sich
auf ihn und schlug ihm den Kopf ab. Dann rief er: "Ich bin ein junger Taglib und habe
den Anführer der Perser getötet!"
In der persischen
Menge entstand daraufhin Unruhe, und es folgte ein wilder Ansturm auf die Brücke.
Al-Mutanna Ibn Harita hatte jedoch seinen Plan bereits ausgeführt, die Brücke abzubauen,
ehe der Feind sie erreichen konnte. Ohne die rettende Brücke ertranken Tausende von
Persern; nicht weniger als 100.000 verloren ihr Leben in dieser Schlacht. Der Sieg der
Muslime war vollständig. Der ganze Irak westlich des Euphrat lag nun in den Händen der
Muslime.
Yezdegerd
wird Kaiser
Die Niederlage
brachte die Herrscher Persiens in große Schwierigkeiten. Wieder traf sich der Adel zu
geheimer Beratung. Man war sich klar, daß das Land gerettet werden mußte und daß kein
Preis dafür zu hoch sei. Schließlich kamen sie überein, daß eine Frau die
Staatsgeschäfte nicht führen könne; und sie setzten einen männlichen Herrscher an die
Stelle der Kaiserin: Yezdegerd, ein einundzwanzigjähriger geistvoller junger Mann, wurde
Kaiser. Der neue Kaiser nahm seine Aufgabe ernst. Er reorganisierte das Heer und
verstärkte die Grenz Verteidigung. Er regte den Adel zu neuen Taten an, und in Persien
wurde ein neues Lebensgefühl spürbar. Verlorene Teile des Irak wurden wiedergewonnen.
Als 'Umar (r) davon erfuhr, befahl er Al-Mutanna Ibn Harita, sich an die arabische Grenze
zurückzuziehen. Auf diese Anweisung hin sammelte Al-Mutanna seine Streitkräfte in einem
Lager bei Di Qar, einem arabischen Außenposten. Der gesamte Irak war wieder einmal in
persischer Hand.
Für kurze Zeit
erschien das Perser-Reich so mächtig wie zuvor. Es gewann zurück, was es verloren hatte,
und der junge Yezdegerd schien Persien den früheren Ruhm zurückgegeben zu haben. Der
Adel und das Volk waren glücklich darüber, aber ihre Freude war nur von kurzer Dauer;
denn jenseits der Grenze bahnten sich furchtbare Dinge an.
Die
Schlacht von Al-Qadisiyya
Der
Wiederaufstieg Persiens und die damit verbundene erneute Bedrohung für den islamischen
Staat war eine Herausforderung, der man begegnen mußte. 'Umar (r) traf
Kriegsvorbereitungen in großem Umfang. Die Gouverneure erhielten Befehle, treue Krieger,
erprobte Generäle und gute Redner in die Hauptstadt zu schicken. Diese Befehle wurden
ausgeführt, und die besten Söhne des Islam versammelten sich in AI-Madina.
'Umar (r) wollte das
Heer selbst führen. Talha, Az-Zubair Ibn AI-'awwarn, 'Abdurrahman Ibn 'Auf und andere
hervorragende Sahaba des Propheten wurden zu Anführern verschiedener Abteilungen ernannt.
'Umar (r) marschierte ungefähr drei Meilen lang an der Spitze des Heeres; dann schlug er
ein Lager auf, um endgültig zu entscheiden, ob er selbst das Oberkommando weiter behalten
sollte, wie es die meisten wollten. Aber die alten Krieger meinten, daß dies zu
gefährlich sei: Niemand könne den Ausgang der Schlacht voraussagen, und falls die
Muslime unter dem Kommando des Kalifen unterliegen sollten, könnte ihnen nichts mehr ihr
Vertrauen und Ansehen zurückgeben. Dies leuchtete 'Umar ein. Er übertrug deshalb Sa'd
Ibn Abi Waqqas, einem Onkel des Propheten mütterlicherseits, den Oberbefehl. Er selbst
kehrte nach AI-Madina zurück. Sa'd setzte den Vormarsch fort, bis er die Stelle
erreichte, wo jetzt Al-Kufa steht. Hier erfuhr er von AI-Mutanna Ibn Haritas Tod.
Al-Mutannas Bruder stieß mit seiner Streitmacht zu Sa'd; er überbrachte dem neuen
Befehlshaber nützliche Hinweise, die sein verstorbener Bruder ihm gegeben hatte.
Von Al-Madina
aus befaßte sich 'Umar (r) bis in alle Einzelheiten mit dem Feldzug, und Sa'd erhielt vom
Kalifen ständig Anweisungen. Dieser bestimmte auch, wie die Armee gegliedert werden
sollte, und er wählte Al-Qadisiyya als den Ort aus, an dem die Muslime Halt machen
sollten. Dann ließ er sich eine genaue Karte der Umgebung anfertigen. Anhand dieser
Landkarte legte er dann die anzuwendende Taktik fest.
Ungewohntes
Gespräch bei Yezdegerd
Sa'd
erhielt die Anweisung, dem Feind vor Beginn des Kampfes den Frieden anzubieten. Als
Unterhändler wurden die Oberen von 14 verschiedenen Stämmen entsandt. Yezdegerd
versammelte seine Ratgeber, um die Unterhändler zu empfangen. Der Hof war ein Spiegel
persischen Pomps und Glanzes; denn die Perser wollten durch Prachtentfaltung die Augen der
Wüstenbewohner blenden. Aber es zeigte sich, daß die Muslime von anderer An waren: Mit
Umhängetüchern aus dem Yemen um die Schultern, Lederschuhen an den Füßen und Peitschen
in den Händen gingen sie unbekümmert an den Hof. Die Höflinge und der Kaiser waren
gleichermaßen über das furchtlose Auftreten der Muslime erstaunt.
Die
Friedensgespräche begannen. Yezdegerd fragte die Abgesandten, weshalb sie in sein Land
gekommen seien. Nu'man Ibn Muqarrin, der Leiter der Abordnung, trat hervor und sagte:
"Herrscher, vor nicht allzulanger Zeit waren wir noch ein unwissendes und wildes
Volk. Allah hatte Mitleid mit uns und sandte uns Seinen auserwählten Propheten. Der
Prophet zeigte uns den Weg der Wahrheit. Er rief uns zu einem besseren Leben auf und
befreite uns von allem Übel. Er versprach uns in diesem und im nächsten Leben Erfolg,
wenn wir seine Botschaft anerkennen. Wir glauben an seine Sendung.
Dann befahl er
uns, seine Botschaft, den Islam, den uns umgebenden Völkern zu bringen. Der Islam ist der
Urquell alles Guten. Er sagt ganz klar, was gut und was böse ist. Persische Edle, wir
rufen euch auf den Weg des heiligen Glaubens. Wenn ihr ihn annehmt, kann es nur das Beste
für euch sein, und wir werden euch in Frieden lassen. Wir werden euch Allahs
geschriebenes Gebot übergeben. Dieses Buch wird euer Führer sein. Ihr werdet seine
Gebote befolgen. Aber wenn ihr die Botschaft des Islam zurückweist, müßt ihr unter
unserer Herrschaft leben und die Gizya bezahlen. Auch müßt ihr dafür sorgen, daß es
keine Ungerechtigkeiten und üble Taten mehr in eurem Land gibt.
Wenn
ihr auch dies verweigert, muß das
Schwert entscheiden." Yezdegerd hörte diese Rede ruhig an und sagte: "Araber,
vor nicht allzulanger Zeit gab es kein Volk, das so armselig und verkommen war wie ihr. Es
genügte die Anweisung an einen Grenzposten, um Vergehen von euch zu bestrafen und Ordnung
zu schaffen. Daher rate ich euch, eure Eroberungsgelüste aufzugeben. Sollte es euch an
Nahrung oder anderen Dingen fehlen, laßt es uns wissen. Wir werden euch mit dem
Notwendigen versorgen. Wir werden auch einen gerechten Herrscher über euch ernennen, der
euch mit Güte regieren wird."
Nach diesen Worten
stand Al-Mugira Ibn Zarara auf und erwiderte: "Kaiser, wir lebten tatsächlich so
armselig, wie ihr sagtet, vielleicht sogar in noch schlimmerem Maße. Wir aßen tote
Tiere, bekleideten uns mit Fellen und schliefen auf dem Boden. Aber seit Allahs
auserwählter Prophet unter uns erschienen ist, haben wir uns grundlegend geändert. Seine
wunderbare Lehre und sein erhebendes Beispiel haben uns zu den Führern der Welt gemacht.
Auch stolze Herrscher wie ihr fürchten uns jetzt. Kaiser, jedes weitere Gespräch ist
nutzlos. Entweder erkennt ihr den auserwählten Propheten an und beugt euch vor seiner
erhabenen Lehre, oder ihr zahlt die Gizya. Wenn ihr beides verweigert, entscheidet das
Schwert!" Al-Mugiras Worte brachten den Kaiser außer Fassung.
"Bei
Yazdan", brüllte er zornig, "wenn uns nicht das Gesetz daran hinderte, das Blut
von Unterhändlern zu vergießen, hätte ich euch enthaupten lassen! Aber ich werde Rustum
beauftragen, mit euch abzurechnen. Er wird euch und alle eure Kameraden in der Erde von
Al-Qadisiyya begraben."
Dann frage er:
"Wer hat das größte Ansehen unter euch?"
"Ich",
antwortete 'Asim Ibn 'Umar.
Der Kaiser ließ
einen Korb mit Erde füllen und ihn 'Asim auf den Kopf setzen. Dieser lief davon und
brachte ihn zu seinem Befehlshaber Sa'd. Als er den Korb vor diesem niedergesetzt hatte,
sagte er:
"Ich gratuliere
dir zum Sieg! Der Feind hat uns sein Land selbst ausgehändigt!"
Sa'd gefiel dies
sehr, und er nahm dies als ein gutes Vorzeichen für den Sieg der Muslime. Der Fortgang
der Ereignisse gab ihm recht.
Rustums
Demütigung
Mit einer Armee von
120.000 Mann zog Rustum nach Al-Qadisiyya. Hier bezog er Stellung für die Schlacht, aber
im Innersten seines Herzens fürchtete er die Muslime. Daher zögerte er den Beginn der
Schlacht um einige Wochen hinaus. Ständig waren Abgesandte beider Seiten unterwegs. Der
letzte Abgesandte, der Rustum aufsuchte, war Al-Mugira Ibn Su'ba. Rustum tat alles, was er
konnte, um den Muslim mit Glanz zu blenden: Er saß auf einem goldenen Thron, hatte eine
Diamantenkrone auf dem Haupt, und der ganze Hof war mit Brokat, Gold und Diamanten reich
geschmückt. Al-Mugira Ibn Su'ba stieg vom Pferd herab, ging geradewegs zu Rustums Thron,
stieg hinauf und setzte sich an Rustums Seite.
Alle Anwesenden
waren aufs äußerste verblüfft; denn so etwas Ungeheuerliches hatte noch niemand gewagt.
Schließlich kamen Wachen herbeigelaufen und zwangen Al-Mugira, vom Thron
herunterzusteigen. Al-Mugira blieb jedoch kühl und sagte, an den versammelten Hof
gerichtet: "Edle von Persien! Ich hielt euch für weise, aber ihr habt euch als
töricht erwiesen. Wir Muslime erheben niemals einen Menschen in den Rang von Göttern.
Die Schwachen unter uns glauben nicht an die Überlegenheit der Starken, und ich dachte,
ihr würdet nach denselben Grundsätzen handeln. Ich wußte nicht, daß bei euch die
Starken über Schwachen stehen und von diesen angebetet werden. Auch war mir nicht
bekannt, daß ihr nicht an die Gleichheit der Menschen glaubt. Wenn ich das gewußt
hätte, wäre ich überhaupt nicht erst an euren Hof gekommen. Aber ich sage euch, daß
ihr mit diesen Methoden euer Reich nicht halten könnt. Unruhe unter den Schwachen wird
alles auf den Kopf stellen." Mit Al-Mugiras Rede waren die Friedensgespräche
beendet. Aber in den Ohren der persischen Noblen klangen seine Worte nach.
"Wie wahr die
Worte dieses freimütigen Muslims sind!" sagten einige.
"Der Bursche
hetzt unser Volk gegen uns auf, sagten andere, "es wäre töricht, auf die Muslime
herabzusehen."
Im Monat Al-Muharram des Jahres 14 n.H. begann endlich die Schlacht von
Al-Qadisiyya. Sa'd Ibn Abi Waqqas (r), der muslimische Oberbefehlshaber, war jedoch krank
und erlitt starke Schmerzen. So konnte er den Einsatz nur vom Dach eines nahe gelegenen
Hauses aus leiten. Er befahl den Angriff nach dem frühen Nachmittagsgebet. Nach
islamischer Regel rief der Befehlshaber dreimal laut: "Allahu akbar!"
Beim vierten Ausruf
setzte sich das Heer in Bewegung. Der Kampf dauerte bis spät in den Abend. Die persischen
Elefanten waren wieder das Schreckgespenst für die arabischen Pferde, und die
muslimischen Bogenschützen versuchten, sie und ihre Reiter zu treffen. Aber das Problem
mit den Elefanten blieb ungelöst, und der erste Tag endete mit einem Vorteil für die
Perser.
Am Morgen des zweiten
Tages wurde die Schlacht fortgesetzt. Die Toten wurden beerdigt, die Verwundeten der
Pflege der Frauen überlassen. Vor Beginn des Kampfes traf Verstärkung aus Syrien ein. Es
waren 6000 Mann, die jedoch bis zum Abend in kleineren Gruppen heraneilten. Diese Taktik
erweckte bei den Persern den Eindruck, daß sich die islamische Armee ständig
vergrößere. Der Gedanke erfüllte sie mit Schrecken.
Die syrischen Truppen
hatten sich etwas besonders Kluges ausgedacht, um gegen die Elefanten zu kämpfen: Sie
bedeckten ihre Kamele mit großen schwarzen, wehenden Umhängen, und dieser Anblick
bewirkte, daß die Elefanten verwirrt wurden und sich nicht mehr leiten ließen. Bis
Mitternacht blieben die beiden Heere in einen Kampf auf Leben und Tod verwickelt. Bahman,
Prinz Schahr Baraz und viele andere persische Führer wurden getötet. Die Muslime
erlangten insgesamt einen klaren Vorteil.
Am
darauffolgenden Tag ereignete sich während der Schlacht ein seltsamer Vorfall. Abu Mahgan
At-Taqafyy war ein großer Krieger und guter Dichter, aber Sa'd hatte ihn betrunken
angetroffen und ins Gefängnis geworfen. Vom Fenster seines Gefängnisses aus sah der
tapfere Krieger die bewegten Szenen der Schlacht und wäre gern dabeigewesen. Da ging
Sa'ds Frau Salma vorbei; er flehte sie an, ihn zu befreien, damit er am Kampf teilnehmen
könne. Er versicherte ihr: "Wenn ich am Abend noch lebe, kehre ich in diese Zelle
zurück und lege die Fesseln wieder an." Salma war bewegt von seinen Worten und
befreite ihn. Abu Mahgan stürzte sich daraufhin sofort in das Getümmel der Schlacht.
Sa'd bemerkte vom
Dach des Hauses aus die überragenden Heldentaten eines einzelnen Kriegers. Überall, wo
er auftauchte, brachen die feindlichen Linien zusammen; Sa'd war voller Lob über seinen
Mut und wollte wissen, wer er sei.
Am Abend kehrte Abu
Mahgan freiwillig ins Gefängnis zurück und legte seine Fesseln an. Am Morgen erfuhr Sa'd
von seiner Frau alles über den tapferen Gefangenen. Jetzt wußte er, wer der
bewundernswerte Krieger des vergangenen Tages war.
"Bei Allah
!" erklärte Sa'd (r). "Ich kann einen Mann, der sich so sehr für seinen
Glauben einsetzt, nicht hinter Gitter sperren."
"Bei Allah
!" erklärte Abu Mahgan nach seiner Freilassung.
"Ich will nie
mehr einen Tropfen Wein zu mir nehmen!"
Niederlage
der Perser
Der dritte Tag der
Schlacht begann. Die persischen Elefanten waren noch immer ein Problem, und Sa'd fragte
schließlich zwei persische Muslime, wie man ihnen am besten
beikommen könne.
"Stecht ihnen
die Augen aus!" rieten sie.
Es gab zwei große
Elefanten, die die Herde anführten. Zwei muslimische Krieger übernahmen es, eines der
riesigen Tiere zu erledigen: Gleichzeitig stachen sie mit ihren Speeren seine beiden Augen
aus, dann schlug ihm einer von beiden den Rüssel ab. Das gleiche geschah mit dem zweiten
Riesen.
Wahnsinnig vor
Schmerz taumelten beide Elefanten zum Fluß zurück, und der Rest der Herde folgte den
geblendeten Anführern. Von da an wurden die Elefanten nicht mehr gesehen.
Die Schlacht wütete
Tag und Nacht mit unverminderter Heftigkeit. Im Morgengrauen
trieben die Oberen verschiedener arabischer Stämme
ihre Männer mit lauten Rufen zu einem letzten Vorstoß an. Diese sprangen von ihren
Pferden und stürzten sich mit gezogenem Schwert in die feindlichen Linien. Noch vor
Mittag waren sie im Zentrum der persischen Streitkräfte. Einige von ihnen drangen sogar
bis zu Rustum, dem persischen Befehlshaber, vor. Dieser saß auf seinem goldenen Thron und
leitete von hier aus das Gefecht. Überrascht sprang er herab und kämpfte vorbildlich,
aber schließlich wurde er von dem muslimischen Soldaten Hilal Ibn 'Alqama erschlagen.
Hilal sprang auf Rustums goldenen Thron und rief aus:
"Beim Herrn der
Al-Ka'ba, ich habe Rustum erschlagen! " Rustums Tod besiegelte den Zusammenbruch der
persischen Streitkräfte. Die Standarte Durfasch-i-Kawayani fiel in muslimische Hände.
30.000 Perser wurden getötet; die Muslime hatten 8000 Gefallene zu beklagen.
Der
Kalif erhält die Siegesnachricht
'Umar (r) bangte sehr
dem Ausgang der Schlacht entgegen. Jeden Morgen ging er einige Kilometer vor AI-Madina
hinaus und wartete auf einen Boten aus Al-Qadisiyya. Eines Tages sah er einen Kamelreiter
in der Ferne. "Woher?" fragte 'Umar, als der Reiter nähergekommen war.
"Von
Al-Qadisiyya!" hieß die Antwort, und der Mann ritt weiter. 'Umar (r) lief neben ihm
her, um Schritt zu halten, und fragte weiter:
"Aber welche
Neuigkeiten bringst du denn?"
"Allah hat den
Muslimen den Sieg verliehen", antwortete der Bote.
Nun lief 'Umar (r)
weiter, um noch mehr Einzelheiten von ihm zu erfahren. Als beide die Stadt erreichten,
begrüßte das Volk 'Umar als den Führer der Gläubigen. Der Bote war völlig
überrascht; denn er hatte 'Umar vorher nie gesehen. "O Führer der Gläubigen",
fragte er mit leiser Stimme,
"warum hast du
nicht gesagt, wer du bist?"
"Mach dir
deshalb nur keine Sorgen", sagte 'Umar, "bitte fahre fort mit den Einzelheiten
deines Berichts! "
Die
Eroberung Persiens
"Eine Gruppe von
Muslimen wird den »Weißen Palast« des persischen Kaisers besetzen", hatte der
Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, vor einigen Jahren voraussgesagt. Die stolze
Hauptstadt des Perser-Reiches war Al-Mada'in. Hier lebte der mächtige Kaiser in seinem
berühmten "Weißen Palast". Die Kaiserstadt war nicht mehr als 40 Meilen von
Al- Qadisiyya entfernt.
Nach dem Sieg von
Al-Qadisiyya blieb Sa'ds Heer zwei Monate in Ruhestellung. Als die Männer sich erholt
hatten, befahl Sa'd den Marsch auf Al-Mada'in. Städte und Befestigungen am Wege
wurden mühelos eingenommen, und bald erreichten die Muslime das Ufer des Tigris. Auf der
anderen Seite glänzte der "Weiße Palast" in der Sonne.
Die Perser hatten die
Brücke über dem Fluß zerstört. Sa'd befahl einigen seiner Leute, überzusetzen und das
andere Ufer für eine Landung des Heeres zu sichern. Sechzig Reiter stürzten sich
sogleich in den Fluß. Dieser Anblick erschreckte die persischen Wachen so sehr, daß sie
laut schreiend davonliefen:
"Die Riesen sind da! Die Riesen sind da!"
So setzte Sa'd mit
seinem Heer über, ohne auf Widerstand zu stoßen. Yezdegerd und sein Hof waren schon
geflohen. Als die Muslime schließlich im "Weißen Palast" waren, fanden sie
Mengen von Edelsteinen und unermeßliche Schätze. Ein Fünftel dieser reichen Beute wurde
nach AI-Madina geschickt, der Rest wurde unter die Männer verteilt. Jeder Soldat erhielt
12.000 Goldstücke und andere wertvolle Gegenstände. Sa'd und 'Umar dankten Allah dafür,
daß ihre Männer sich während des ganzen Feldzuges als vollkommen ehrlich und aufrichtig
erwiesen hatten.
Als die reiche Beute aus dem "Weißen Palast" in Al-Madina
eintraf und in der Propheten-Moschee aufgehäuft wurde, brach 'Umar bei diesem Anblick in
Tränen aus.
"Das ist doch
kein Grund zum Weinen", bemerkte einer, der dabeistand.
"Ich
weine", sagte 'Umar (r), "weil Reichtum Feindschaft und gegenseitige Erbitterung
hervorruft, und ein Volk mit diesen üblen Eigenschaften verliert sein Ansehen."
Zur Beute gehörte
auch das Schwert des Kaisers. Sein Knauf war mit Juwelen von besonderer Schönheit
verziert. Der Kalif bewunderte die Pracht des Schwertes und lobte auch die Ehrlichkeit
seiner Truppen, die nichts für sich zurückbehalten hatten von dem, was in ihre Hände
gefallen war.
"Führer der
Gläubigen", bemerkte 'Alyy Ibn Abi Talib (r), "wenn du solch ein erhebendes
Beispiel von Ehrlichkeit gibst, wie sollte dann dein Volk nicht auch ehrlich sein?
Die Schlacht bei
Nahawand
'Umar hatte
nicht den Wunsch, das ganze Perser-Reich zu erobern; er wollte nur das arabische Land von
den Persern zurückbekommen. Nachdem er dies erreicht hatte, wollte er Frieden. Er sagte
oft:
"Ich wünschte mir einen feurigen Berg zwischen uns und den Persern, damit wir in
Frieden leben könnten."
Aber Yezdegerd wollte
das nicht. Er versuchte immer wieder, zurückzugewinnen, was ihm einmal gehört hatte.
Dies führte zu ständigen Gefechten. Das von Gallula' wurde zu einer der heftigsten
Schlachten. Die Perser wurden überall geschlagen. Yezdegerd floh von Ort zu Ort, wollte
aber keinen Frieden schließen. Schließlich ging er nach Khorasan und ließ sich in Merv
nieder. Hier bereitete er einen umfassenden Krieg gegen die Muslime vor.
Sa'd schrieb dem
Kalifen, was in Persien vor sich ging. Einige schlugen vor, daß 'Umar selbst ein Heer
gegen Yezdegerd anführen solle. Aber 'Alyy Ibn Abi Talib war anderer Meinung. Danach
sollte der Kalif in der Hauptstadt zurückbleiben. 'Umar stimmte schließlich 'Alyy's
Vorschlag zu. Er ernannte Nu'man Ibn Muqarrin zum Befehlshaber des Heeres gegen Yezdegerd.
Nu'man war im Monat Al-Muharram des Jahres 19 n.H. zur Schlacht bereit.
Der persische
Kaiser führte eine Armee von 150.000 Mann an. Beide Heere trafen bei Nahawand
aufeinander. Zwei Tage lang kämpften sie ohne einen klaren Vorteil für eine Seite, am
dritten Tag zogen sich die Perser hinter Befestigungen zurück. Da die Muslime den Kampf
nicht in die Länge ziehen wollten, lockten sie den Feind mit einer Kriegslist aufs offene
Feld.
Nun entstand ein
erbarmungsloses Handgemenge, das bis in den späten Abend anhielt. Es floß so viel Blut,
daß das Schlachtfeld davon durchtränkt wurde. Das Pferd des Kommandierenden Nu'man
rutschte auf dem glitschigen Boden aus; er fiel hinunter und wurde verwundet. Sein Bruder
ließ ihn sogleich an einen geschützten Platz bringen, dann bekleidete er sich mit
Nu'mans Kopfbedeckung und Umhang und bestieg selbst dessen Pferd. Dadurch erfuhren die
Krieger nichts von der Abwesenheit ihres Befehlshabers und kämpften weiter wie zuvor.
Im Schutz der Nacht
wandten sich schließlich die Perser zur Flucht. Sie wurden aber verfolgt und zu Tausenden
getötet. Reiche Beute fiel in die Hände der siegreichen Muslime.
Nu'mans Wunden
stellten sich als tödlich heraus. Er erlebte aber noch den glücklichen Ausgang der
Schlacht.
"Tausendfachen
Dank an Allah", hauchte er noch "gebt 'Umar Nachricht."
Im nächsten
Augenblick verschied er. ´Umar war glücklich über die Siegesnachricht. Als er aber von
Nu'mans Tod erfuhr, brach der Kalif in Tränen aus und weinte lange.
Persien in muslimischer Hand
Nach dem Sieg
von Nahawand entschloß sich 'Umar (r), das persische Problem ein für allemal zu lösen.
Die Städte Al-Basra und Al-Kufa im Irak waren bereits gegründet und dienten den Muslimen
als militärische Basis. Von diesen Stützpunkten aus sollten mehrere Heere unter
verschiedenen Befehlshabern in die einzelnen persischen Provinzen einmarschieren. Die
Eroberung war in rund fünf Jahren abgeschlossen. Etwa um das Jahr 23 n.H. war fast ganz
Persien Teil des islamischen Reiches.
Al-Hakam Ibn 'Umair
At-Taglabyy drang nach Osten bis Sind vor. Ein großes Heer der Belutschen stellte sich
ihm entgegen. Der Radscha von Sind sandte seine Streitkräfte zur Verstärkung. Aber
Al-Hakam gewann, und Makran wurde ein Teil des islamischen Reiches.
Al-Hakam wollte noch
weiter nach Osten ziehen: Sein Wunsch war, die Fahne des Islam bis nach Indien zu tragen.
Aber 'Umar wollte das islamische Reich nicht weiter ausdehnen und dafür muslimisches Blut
vergießen. Daher untersagte er Al-Hakam, über Makran hinauszugehen.
Yezdegerd verursachte
noch eine Zeit lang Schwierigkeiten. Er stellte einige Armeen auf und versuchte, die Macht
zurückzugewinnen. Er erhielt sogar militärische Hilfe von den benachbarten türkischen
Königreichen. Alle seine Versuche scheiterten jedoch. Schließlich gab er die Hoffnung
auf und floh nach Transoxanien, wo er während der Regierungszeit ´Utmans getötet wurde.
Hurmuzans
List
Während die
Besetzung Persiens vor sich ging, verursachte Hurmuzan, ein führender Perser, einiges
Kopfzerbrechen in AI-Madina. Er war Statthalter von Al-Ahwaz an der Küste des Golfs.
Zweimal schon war er in Schlachten geschlagen worden und hatte um Frieden gebeten, aber
jedesmal hatte er sein Wort wieder gebrochen und dadurch neue Streitigkeiten verursacht.
Der Kalif war
verwirrt und fühlte sich veranlaßt, etwas dagegen zu unternehmen.
Die Befehlshaber von
Al-Basra und Al-Kufa erhielten den Befehl zu einem
zangenartigen Angriff gegen den argwöhnischen
Hurmuzan. Dieser zog sich in die Festung Schuschter zurück, da er zu einer offenen
Schlacht nicht fähig war. Die Belagerung der Festung dauerte einen ganzen Monat. Hurmuzan
fühlte sich hilflos und gab schließlich unter der Bedingung auf, zum Kalifen geschickt
zu werden, der mit ihm machen sollte, was er für richtig hielt.
Bald war Hurmuzan
unter Bewachung auf dem Weg nach AI- Madina. Als die Stadt in Sicht kam, legte er
glänzende, seidene Gewänder an und setzte eine Juwelenkrone auf. Der Anblick des Kalifen
in geflickter Kleidung nahm dem stolzen Perser fast den Atem. "Warum hast du dein
Wort immer wieder gebrochen?" fragte der Kalif.
Ehe Hurmuzan auf die
Frage antwortete, bat er um einen Trunk, und es wurde ihm ein Becher Wasser gebracht.
Während er diesen in der Hand hielt, rief er: "Ich fürchte, ich werde erschlagen,
ehe ich mit dem Trinken fertig bin!"
"Keine
Angst", sagte der Kalif, "bevor du nicht ausgetrunken hast, wirst du nicht
getötet."
Da goß der Perser
das Wasser aus und sagte: "Nun kannst du mich nicht erschlagen; ich habe dein
Wort." Alle waren sprachlos über diesen Trick. Da erklärte Hurmuzan
seinen Übertritt zum Islam, indem er die AS- Sahada sprach.
"Ich bat nur
deshalb um Wasser", fuhr Hurmuzan fort, "um von dir das Versprechen zu erhalten,
daß du mein Leben schonst. Ich habe diesen Trick gebraucht, damit die Leute nicht
behaupten können, ich wäre aus Angst um mein Leben Muslim geworden."
Der Kalif war
belustigt. Hurmuzan verbrachte den Rest seines Lebens in Al-Madina.
Der
Feldzug nach Syrien
Als 'Umar Kalif
wurde, herrschte noch Krieg mit Byzanz. Einige Tage danach erlitt der Feind die schwere
Niederlage am Al-Yarmuk. Aber er nahm diese nicht zum Anlaß, die Beziehungen zu den
Muslimen endgültig zu regeln; denn Byzanz hielt es für nötig, die Schande der
Niederlage wieder auszumerzen. Bald wurden große Heere in Damaskus und Fahl aufgestellt.
Der Kaiser von Byzanz
wollte zurückerobern, was er verloren hatte, und außerdem wollte er den Muslimen eine
Lektion erteilen, die sie nicht vergessen sollten. Der muslimische Befehlshaber Abu
'Ubaida (r) bat den Kalifen schriftlich um Anweisungen. 'Umar (r) ordnete den Angriff an
beiden Fronten an, worauf Abu 'Ubaida beide Städte nacheinander belagerte.
Damaskus war
die Hauptstadt von Syrien, und sie war sehr stark befestigt. Abu 'Ubaida leitete den
Angriff mit Hilfe fähiger Generäle wie Halid Ibn Al-Walid, 'Amr Ibn AI-'As und Yazid Ibn
Abu Sufyan. Aber die byzantinischen Streitkräfte hatten sich in die Stadt zurückgezogen
und wollten nicht zum Kampf herauskommen.
Halid suchte ständig
nach einer günstigen Gelegenheit zum Angriff und schlief deshalb nachts kaum. Eines
Nachts bemerkte er in der Stadt eine ungewöhnliche Aufregung. Spione brachten die
Nachricht, daß dem Statthalter ein Sohn geboren worden sei und daß das Volk sich dem
Trunk und Vergnügen hingegeben habe.
Halid sah
endlich seine Chance: Er überquerte den Festungsgraben in Begleitung einiger
sorgfältig ausgewählter Männer, die starke Seile bei sich hatten. Damit gelang es
ihnen, die Stadtmauer zu erklettern, dann sprangen sie hinab, töteten die Wachen und
öffneten das Tor. Mit dem Ruf "Allahu akbar!" drangen Halids Truppen in die
Stadt ein.
Die byzantinischen
Heeresführer waren völlig überrascht. Hastig öffneten sie das Stadttor auf der anderen
Seite, liefen zu Abu 'Ubaida und baten um Frieden.
Dieser wußte noch
nichts von Halids gewagtem Handstreich und gewährte ihnen bereitwillig Frieden zu
günstigen Bedingungen.
Von den
entgegengesetzten Toren kommend, trafen Halid und Abu 'Ubaida in der Mitte der Stadt
aufeinander. Jetzt bemerkte Abu 'Ubaida die List des Feindes, aber er blieb bei den
Bedingungen, die er gewährt hatte.
Damaskus fiel im
Monat Ragab des Jahres 14 n.H. Zum Gouverneur von Damaskus wurde Yazid Ibn Abu Sufyan
ernannt. Er und sein jüngerer Bruder Mu'awiya eroberten das umliegende Gebiet mit seinen
Städten.
Halids Verdienste werden
anerkannt
Von Damaskus
aus marschierte die islamische Armee nach Fahl und eroberte es. Dann nahm sie die
Befestigungen Marg Ar-Rum, Hirns und Qansrin ein. In all diesen Kämpfen spielte Halid (r)
eine führende Rolle.
Als 'Umar von Halids
gewagten Unternehmungen erfuhr, war er voller Lob für ihn.
"Möge Allah Abu
Bakr segnen!" rief er aus. "Er kannte die Menschen besser als ich und hat Halid
an den richtigen Platz gestellt. Ich habe ihn nicht deshalb seines Postens enthoben, weil
er Fehler gemacht hätte, sondern weil ich befürchtet hatte, daß die Muslime zu sehr von
ihm abhängig würden. Immerhin hat Halid allein durch seine Leistungen den Rang eines
Befehlshabers verdient."
Der Kalif erhöhte
Halids Rang und vergrößerte seine Macht.
Heraklios flieht aus Syrien
Als Damaskus
fiel, hielt sich der Kaiser von Byzanz in Antiochia auf. Kaum hatte man sich von dieser
Niederlage erholt, fielen schnell andere wichtige Städte. Die byzantinischen
Streitkräfte waren einfach hilflos gegen die vordringende Flut des islamischen Heeres.
Nach den fortwährenden Niederlagen gab der Kaiser schließlich die Hoffnung auf, Syrien
halten zu können. Um den Rest des Reiches zu sichern, verzichtete er auf dieses Land.
"Lebe wohl,
schönes Syrien", sagte er mit einem Seufzer, als er von einem Hügel aus das Land
überblickte, "nie mehr werde ich dich wiedersehen."
Als Heraklios
seine Hauptstadt Konstantinopel erreicht hatte, ließ er einen ehemaligen Kriegsgefangenen
zu sich kommen. Dieser war in die Hände der Muslime gefallen und erst vor kurzem
geflohen.
"Was für ein
Volk ist das?" fragte der Kaiser. Der Mann entgegnete:
"O Kaiser! Es
ist ein wunderbares Volk: am Tage furchtlose Krieger, in der Nacht
andächtig Betende. Von den unterworfenen Völkern verlangen die
Muslime nichts, wofür sie nicht auch bezahlen. Überall verbreiten sie Frieden und
Gerechtigkeit. Aber wenn ein Volk sich ihnen entgegenstellt, ruhen sie nicht eher, bis es
nachgibt."
"Wenn sie
solch magische Kräfte besitzen", sagte der Kaiser, "werden sie sicherlich eines
Tages auch den Boden unter meinen Füßen erobern."
Der
Fall von Antiochia und Adnadain
Die Muslime nahmen
Aleppo ein und zogen dann gegen Antiochia. Als "Asiatische Hauptstadt des
Kaisers" nahm diese Stadt eine Schlüsselstellung ein, aber sie konnte ohne großen
Widerstand genommen werden.
Während Abu 'Ubaida
und Halid in Nordsyrien beschäftigt waren, vertrieb Yazid, der Sohn Abu Sufyans, den
Feind vom libanesischen Küstenstreifen. Nach der Einnahme von Beirut besetzte er die
Küste in ihrer ganzen Länge.
Als nächstes fiel
die Festung von Adnadain. Nun kam Jerusalem an die Reihe, das bereits von einer
islamischen Armee belagert wurde
Der
Fall von Jerusalem
'Amr Ibn AI-'As
belagerte Jerusalem. Nach der Einnahme von Antiochia stießen Abu 'Ubaida, Halid und
andere Führer des islamischen Heeres zu ihm. Die Christen in Jerusalem hatten wenig
Hoffnung auf Hilfe von Byzanz; deshalb entschieden sie sich für die kampflose Übergabe.
Jedoch hegten die
Christen einige Befürchtungen. Sie wußten, daß sich vorher auch andere Städte kampflos
ergeben hatten, und in jedem Fall hatten die Sieger das Leben und das Eigentum der
Besiegten geachtet. Sie hatten ihre heiligen Stätten geschont und ihnen erlaubt, ihre
eigene Religion auszuüben. Aber weil es sich um Jerusalem handelte, waren sich die
Christen da nicht ganz sicher. Die Stadt war sowohl für sie als auch für die Muslime ein
heiliger Ort. Vor der Übergabe wollten sie sicher gehen, daß sie gut behandelt würden.
Sie machten deshalb Abu 'Ubaida folgenden Vorschlag:
"Wir sind bereit
zur Übergabe, aber euer Kalif muß persönlich zur Unterzeichnung des Friedensvertrages
hier erscheinen."
Die Führer des
islamischen Heeres kamen zur Beratung zusammen und berieten über diesen Vorschlag;
schließlich stimmten sie ihm zu; denn sie sagten sich: "Warum sollen wir Blut
vergießen für eine Sache, die auch so geregelt werden kann?"
Der Vorschlag der
Christen wurde dem Kalifen überbracht: Jerusalem könne genommen werden, ohne einen
Tropfen Blut zu vergießen, aber dazu müsse 'Umar den weiten Weg von AI-Madina nach
Jerusalem zurücklegen. Darauf ging 'Umar (r) bereitwillig ein.
Als der Kalif
nach Jerusalem aufbrach, ließ er 'Alyy (r) als seinen Stellvertreter zurück. Er nahm nur
einen Begleiter mit. Sie hatten nur ein Kamel, das sie abwechselnd ritten. Am Tag der
Ankunft in Jerusalem war der Diener an der Reihe zu reiten.
"Führer der
Gläubigen", sagte er, "es wird in den Augen der Leute seltsam aussehen, wenn
ich reite und du das Kamel führst. Sollten wir nicht lieber tauschen?"
"O nein",
antwortete 'Umar, "ich will nicht ungerecht sein!
Der Islam ist genug
Ehre für uns alle!"
Abu 'Ubaida, Halid,
Yazid und andere Anführer gingen dem Kalifen entgegen. Sie trugen alle feine, luxuriöse
Gewänder. Als 'Umar dies sah, wurde er sehr wütend. Er hob einige Kieselsteine auf,
bewarf sie damit und sagte:
"Habt ihr euch
in knapp zwei Jahren so sehr verändert? Was ist das für eine Kleidung? Selbst wenn dies
200 Jahre später geschehen wäre, hätte ich euch entlassen! "
Die Heeresführer
antworteten:
"O Führer der
Gläubigen, wir sind in einem Land, in dem die Kleidung eines Mannes seinen Rang zum
Ausdruck bringt. Wenn wir gewöhnliche Kleidung tragen, genießen wir wenig Ansehen im
Volk. Aber unter diesen Gewändern tragen wir unsere Waffen."
Diese Antwort kühlte
den Zorn des Kalifen ab. Danach unterzeichnete er den Friedens vertrag, der wie folgt
lautete: "Von 'Umar, dem Diener Allahs und Führer der Gläubigen: Den Bewohnern von
Jerusalem wird die Sicherheit ihres Lebens und Eigentums gewährleistet. Ihre Kirchen und
Kreuze bleiben unversehrt. Ihre religiösen Stätten sollen intakt bleiben, sie sollen
weder besetzt noch niedergerissen werden. Das Volk soll in seiner Religionsausübung
vollkommen frei und keiner Belästigung ausgesetzt sein..."
Nun wurden die
Tore der Stadt geöffnet. 'Umar ging direkt zum Tempel Davids, Al-Masgid Al-Aqsa. Er
betete unter Davids Bogen. Danach besuchte er die größte christliche Kirche der Stadt.
Als es Zeit zum Nachmittagsgebet war, befand er sich gerade in der Kirche.
"Wenn du
willst, darfst du in der Kirche beten", sagte der Bischof.
"Nein",
antwortete 'Umar; "denn wenn ich es täte, wäre es vielleicht eines Tages ein
Vorwand für die Muslime, euch die Kirche abzunehmen."
So betete er auf den
Stufen vor der Kirche. Er gab dem Bischof auch ein Schreiben, in dem stand, daß die
Stufen niemals für gemeinsame Gebete benutzt und daß auch der Adan dort nicht gesprochen
werden dürfe
'Umar (r) wollte in Jerusalem eine Moschee
errichten, und er fragte den Bischof, welcher Platz wohl dafür geeignet sei. Der Bischof
empfahl die As-Sahra, den Felsen, auf dem der Prophet Jakob (a.s.) zu Allah gebetet haben
soll. Hier hatten jedoch die Christen Müll aufgehäuft, um die Juden zu ärgern.
Die As-Sahra wurde sofort vom Unrat gereinigt. 'Umar legte zusammen mit den anderen selbst
Hand an. Jerusalem, die Stadt Davids und Jesu, Allahs Friede auf beiden, wurde nun zum
Beweis für den Frieden, den der Islam dem Christentum und dem Judentum gewährt. Als alle
Spuren von Schmutz beseitigt waren, wurde auf der As-Sahra eine Moschee errichtet. Diese
steht noch heute dort und ist als '"Umars Moschee" bekannt.
Besetzung
des Nordirak
Der Nordirak hatte
bisher mit den Muslimen in Frieden gelebt. Dieser Teil des Irak hieß Al-Gazira. Nun
zettelte das Volk von Al- Gazira. eine Verschwörung an, um die Muslime aus Syrien
zu vertreiben. Der Kaiser von Byzanz wurde gebeten, ein Heer auszusenden, damit der Plan
ausgeführt werden könnte. Er entsprach diesem Wunsch, und das Volk von Al- Gazira.
nahm Verbindung mit seinem Heer auf. Abu 'Ubaida (r) und andere muslimische
Heeresführer sahen sich deshalb gezwungen, sich in die Stadt Hirns
zurückzuziehen, die der Feind daraufhin belagerte. Als der Kalif diese alarmierende
Nachricht erhielt, zog er an der Spitze einer Streitmacht aus, um seinen Leuten zu helfen.
Aber ehe er die Stadt erreichte, war der Feind bereits zurückgeschlagen.
Nun ordnete der Kalif
an, Al- Gazira. zu besetzen. 'Ayaz Ibn Gannam führte den Befehl aus und überrannte
es innerhalb kürzester Zeit.
Die
große Seuche
Im Jahre 17/18 n.H.
wütete im Irak, in Syrien und Ägypten eine schlimme Seuche. Die Epidemie raffte einen
großen Teil der Menschen hinweg. Auch die islamische Armee in Syrien war von dieser Plage
betroffen, und die Zahl der Todesopfer war so groß, daß 'Umar (r) selbst nach Syrien
ging, um sich ein Bild von der Lage zu machen. In Saara wurde er von den Heeresführern
empfangen, und sie beschworen ihn, dem verseuchten Gebiet fernzubleiben. Der Kalif fragte
'Abdurrahman Ibn 'Auf (r), einen Sahabyy des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm,
um Rat. Dieser zitierte ihm einen Ausspruch des Propheten, Allahs Segen und Friede auf
ihm, den er selbst von ihm gehört hatte und der lautet:
"Wenn eine
Epidemie eine Stadt heimsucht, so begebt euch nicht dorthin; und wenn ihr euch darin
befindet, so verlaßt sie nicht." Daraufhin ging 'Umar schließlich zurück. Als Abu
'Ubaida das sah, sagte er:
"'Umar, willst
du vor Allahs Fügung weglaufen?" "Ja", antwortete 'Umar, "ich laufe
vor Allahs Fügung weg zu Allahs Fügung hin."
Einige Tage, nachdem
'Umar weggegangen war, starb Abu 'Ubaida (r) an der Seuche. Seinen Nachfolger Mu'ad Ibn
Gabal traf dasselbe Schicksal. Die Befehlsgewalt ging nun auf 'Amr Ibn Al-'As über. Er
befahl den Truppen sofort, sich auf die Höhen verschiedener Hügel zu verteilen, und
dieser kluge Befehl brachte die Epidemie unter Kontrolle. Aber inzwischen waren schon
20.000 Krieger gestorben; unter ihnen einige der fähigsten Heeresführer des Islam.
Als die Epidemie
vorüber war, besuchte 'Umar Syrien zum letzten Mal. Der Grund des Besuchs war, die
Probleme zu lösen, die durch den Ausbruch der Seuche entstanden waren. Einige Kilometer
vor der Stadt Ela gab er seinem Diener sein Pferd und ritt auf dessen Kamel. "Wo ist
der Führer der Gläubigen?" fragte das Volk den Diener.
"Da, vor
euch!" antwortete dieser und zeigte auf den Kamelreiter. Die Leute wunderten sich und
trauten ihren Augen nicht. Schließlich wurde ihnen klar, daß der Islam keinen
Unterschied zwischen Herr und Diener macht.
Während seines
Aufenthalts in Syrien gewährte der Kalif den Familien Unterstützung, die ihren Ernährer
verloren hatten. Anstelle der verstorbenen Hauptleute wurden andere ernannt. Eines Abends
bestand das Volk darauf, daß der Kalif Bilal ersuchen sollte, den Adan zu sprechen. Bilal
(r), der seit dem Tod des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, nie wieder den Adan
gesprochen hatte, willigte ein. Als er begann, tauchten die Szenen aus der
Propheten-Moschee in AI-Madina vor den Augen der Männer auf, und alle fingen an zu
weinen.
Die
Hungersnot
Im folgenden Jahr
brach eine große Hungersnot in Al-Higaz aus. Der Kalif unternahm Schritte, um
Lebensmittel von Syrien und Ägypten heranzuschaffen; trotzdem war die Not weit
verbreitet.
'Umar (r) fühlte
sehr mit dem Volk, so sehr, daß er schwor, weder Butter noch Honig zu essen, solange die
Hungersnot andauere. Dies wirkte sich nachteilig auf seine Gesundheit aus. Als sein Diener
das sah, brachte er ihm einfach eines Tages Butter und Honig zum Essen. Aber 'Umar (r)
weigerte sich, es anzurühren und sagte:
"Wenn ich das
Leiden nicht selbst verspüre, wie kann ich dann das Leiden anderer verstehen?"
'Amr Ibn Al-'As
war versessen darauf, Ägypten zu erobern. Es muß deutlich gemacht werden, daß von
Ägypten für den Islam eine Gefahr ausging. Im Jahre 18 n.H., als 'Umar (r) Syrien
besuchte, bat 'Amr um die Erlaubnis, in Ägypten einfallen zu dürfen. Der Kalif wollte
nicht recht, aber 'Amr bedrängte ihn. Schließlich erlaubte er 'Amr (r), an der Spitze
von 4000 Mann loszuziehen.
'Amr
war noch nicht in Ägypten angelangt, als er einen Brief vom Kalifen erhielt, der ihn
zurückrief. Der Gedanke an unnötiges Blutvergießen hatte 'Umars Meinung geändert. Aber
'Amr war so begierig, Ägypten zu erobern, daß er den Brief erst öffnete, als er schon
im Land war.
Ägypten stand
unter der Herrschaft eines Vizekönigs des Kaisers von Byzanz. Der Kaiser unterhielt ein
großes Heer in Ägypten, das unter seinem Oberbefehl stand.
Die erste Schlacht
führte 'Amr gegen die kaiserlichen Truppen. Sie dauerte einen ganzen Monat. Aber am Ende
siegte 'Amr (r); und das erleichterte den weiteren Vormarsch. Dabei nahm er die Stadt
Balqis ein, wo die Tochter des Vizekönigs lebte. Sie war mit dem Sohn des Kaisers
verheiratet und wollte gerade nach Byzanz aufbrechen. Mit ihrer reichen Aussteuer fiel sie
in die Hände der Muslime. Aber 'Amr schickte sie zu ihrem Vater mit allem, was sie
besaß. Der Vizekönig war 'Amr sehr dankbar für diese Güte.
'Amr zog nun
vor die stärkste Festung der kaiserlichen Streitkräfte. Sie lag am östlichen Ufer des
Nil. Gegenüber auf dem westlichen Ufer befand sich der Palast des Vizekönigs. Der
Befehlshaber der kaiserlichen Streitkräfte zog sich in seine Festung zurück.
Die Belagerung
dauerte lange und versprach wenig Hoffnung auf einen Sieg. 'Amr schrieb nach Al-Madina,
worauf ihm der Kalif eine Verstärkung von 12.000 Mann sandte. Mit ihr kamen einige der
bekanntesten früheren Kriegsteilnehmer. Einer von ihnen, Az-Zubair Ibn Al-'awwam, war ein
sehr starker Mann. Ihm gelang es, auf die Festungsmauer zu klettern, und viele andere
machten es ihm nach. Als sie zusammen in den Ruf "Allahu akbar!" ausbrachen,
verlor der kaiserliche Befehlshaber die Nerven. Er und seine Männer bestiegen die auf der
Flußseite liegenden Boote und segelten davon.
Der Vizekönig war
nun seines stärksten Schutzes beraubt und bat daher um Frieden. Die von ihm entsandten
Unterhändler behielt 'Amr zwei Tage bei sich, damit sie die islamische Lebensweise
kennenlernen sollten. Dann sandte er sie mit einer hoffnungsvollen Antwort zurück. Der
Vizekönig fragte seine Unterhändler, was für eine Art Menschen die Sieger seien.
"Herr",
antworteten sie, "die Muslime sind Menschen, die den Tod mehr lieben als wir das
Leben und die Bescheidenheit mehr als den Stolz. Habgier ist ihnen unbekannt. Sie halten
es nicht für unwürdig, auf dem Boden zu sitzen, und sie essen nicht an einem Tisch. Ihr
Befehlshaber ist einer wie sie, er hat kein besonderes äußerliches Kennzeichen. Die
Muslime kennen keinen Unterschied zwischen hoch und niedrig, Herr und Knecht. Wenn die
Zeit des Gebets kommt, nehmen alle ihre Waschungen vor und stehen Schulter an Schulter
voll Demut vor dem Herrn."
Der Vizekönig war
sehr beeindruckt.
"Solch ein
Volk", erklärte er, "wird jede Macht erringen. Es ist besser, wir machen
Frieden mit ihm." Daraufhin unterzeichnete der Vizekönig den Friedensvertrag. Darin
gewährten die Muslime den Kopten Sicherheit des Lebens und des Eigentums und
Glaubensfreiheit. Die Kopten ihrerseits verpflichteten sich, den Muslimen im Kampf gegen
die kaiserlichen Truppen beizustehen.
Der Kaiser von Byzanz
war sehr verärgert über diesen Vertrag, aber der Vizekönig von Ägypten störte sich
nicht daran. Er stand fest zu den Vertragsbedingungen genauso wie die Muslime. Die Folge
war, daß in kurzer Zeit der größte Teil Ägyptens von den kaiserlichen Truppen geräumt
war.
Alexandrien war
die letzte Festung der kaiserlichen Streitkräfte in Ägypten. Weil Byzanz die Stadt auf
dem Seeweg mit Menschen und Hilfsgütern versorgen konnte, schien ihre Eroberung
schwierig.
Schließlich
belagerte 'Amr die Stadt, aber selbst nach sechs Monaten schien man einem Sieg nicht
näherzukommen. Dies ärgerte 'Umar, und er schrieb folgenden Brief an ' Amr: "Ich
fürchte, daß die Muslime nicht nach den Lehren des Qur'an und dem Beispiel des Gesandten
Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, gelebt haben! Sage ihnen allen, daß sie diese
Pflicht nicht versäumen dürfen! Mache ihnen eindringlich klar, daß sie aufrecht, kühn
und kampfbereit sein müssen! Hole vereint mit anderen Heeresführern zum endgültigen
Schlag aus!"
'Amr gab diesen Brief
der Armee bekannt. Die darin ausgesprochenen Befehle wurden sofort ausgeführt, und am
Ende des sechsten Monats der Belagerung fiel Alexandrien. Es war Mittag, als der Bote
Al-Madina mit der Siegesnachricht erreichte. Er wollte den Kalifen zu dieser Tagesstunde
nicht stören und setzte sich in die Moschee des Propheten, Allahs Segen und Friede auf
ihm. Aber ein Diener berichtete 'Umar von der Ankunft des Boten. Der Kalif lief hinaus und
fragte diesen:
"Warum bist du
nicht gleich zu mir gekommen?"
"Ich
dachte", antwortete der Bote, "du hieltest vielleicht einen Mittagsschlaf."
"Wie schade,
daß du so gedacht hast!" rief 'Umar.
"Wenn ich
anfangen würde, am Tage zu schlafen, wer sollte sich dann um die Staatsgeschäfte
kümmern?"
Ägypten war nun
vollständig erobert. 'Amr gründete eine Stadt am Nilufer und nannte sie Al-Fustat. In
ihrer Mitte errichtete er eine große Moschee. Später entwickelte sich im Laufe der Zeit
in der Nähe dieser Stadt die Stadt Kairo.
Im Jahre 23 n.H.
hatte 'Amr die muslimische Armee westwärts bis Tripolis geführt.
Umars
Brief an den Nil
Die Kopten waren
Christen, aber sie befolgten auch heidnische Bräuche. Jedes Jahr im Frühsommer feierten
sie ein großes Fest, das ein Tag allgemeiner Vergnügungen war. Das Fest wurde aber durch
Menschenopfer beeinträchtigt: Eine schöne, als Braut geschmückte Jungfrau wurde in den
Nil geworfen. Das Volk glaubte, daß dieses Opfer notwendig sei, um den Nil zu
beschwören, große Wassermengen für ihre ausgetrockneten Felder herbeizubringen. Wenn
der Nil beleidigt wäre, dachten sie, würde es keine Flut und somit keine Ernte geben.
Die Kopten baten 'Amr
um die Erlaubnis, wie gewöhnlich eine Jungfrau opfern zu dürfen. Er
verweigerte
natürlich seine Einwilligung zu diesem heidnischen
Brauch, und ausgerechnet in diesem Jahr hatte der Nil wenig
Wasser; es gab eine Mißernte und viele Bauern verließen das Land. 'Amr bat den Kalifen
schriftlich um Rat.
Der Kalif billigte
'Arnrs Entscheidung, und sandte einen an den Nil gerichteten Brief. Darin stand:
"Vom Diener
Allahs und Führer der Muslime an den Fluß Nil in Ägypten: O Nil, wenn du aus eigenem
Willen fließt, dann fließe nicht. Aber wenn dein Fließen von Allah dem Allmächtigen
bestimmt wird, dann beten wir zu Ihm, dich fließen zu lassen."
Dieser Brief wurde in
den Fluß geworfen, so wie es der Kalif angeordnet hatte - und der Nil trat in diesem Jahr
über die Ufer; seit Jahren hatte es keine so große Flut mehr gegeben. So hatte der Nil
wohl dem Kalifen gehorcht. Das Land war wieder einmal grün und fruchtbar, die Bauern
waren glücklich, und der heidnische Brauch des Menschenopfers war für alle Zeiten
abgeschafft.
Umars
Tod
In Al-Madina lebte
ein persischer christlicher Sklave mit Namen Abu Lu'lu'a Firoz. Eines Tages kam er zum
Kalifen und sagte:
"Mein Herr
verlangt eine zu hohe Gebühr für mich. Sorge bitte dafür, daß sie herabgesetzt
wird."
"Wie hoch ist
denn die Gebühr?" fragte 'Umar.
"Zwei Dirham
täglich", antwortete der Sklave.
"Was kannst
du?" war die nächste Frage des Kalifen.
"Ich bin
Schreiner, Maler und Schmied", sagte Abu Lu'lu'a.
"Dann ist die
Gebühr keinesfalls zu hoch", erwiderte der Kalif.
"Na gut",
brummte der Sklave, als er wegging, "ich werde noch mit dir abrechnen."
'Umar schenkte diesen
Worten keine Beachtung.
"Ich bin von
einem Sklaven getadelt worden", bemerkte er lächelnd.
Früh am nächsten
Morgen ging 'Umar (r) wie gewöhnlich zum Gebet in die Moschee. Abu Lu'lu'a hielt sich
bereits mit einem Dolch in der Hand in einer Ecke versteckt. Als 'Umar mit dem Gebet
begann, sprang der Sklave plötzlich auf ihn zu und stieß sechsmal mit dem Dolch auf ihn
ein. Als die entsetzten Gläubigen den Mörder überwältigten, tötete der Schurke sich
selbst mit dem gleichen Dolch.
'Umar (r) lag in
seinem Blut bis zum Ende des Gebets, dann wurde er heimgetragen.
"Wer ist mein
Mörder?" fragte'Umar.
"Abu
Lu'lu'a", sagten die Leute.
"Alles Lob
gebührt Allah!" sagte 'Umar, "Es ist wenigstens kein Muslim, der mein Blut
vergossen hat."
Ein Arzt wurde
gerufen, um die Wunden des Kalifen zu behandeln. Als er sagte, sie seien zu schwer, um zu
heilen, begannen viele der Umstehenden zu weinen.
"Weint bitte
nicht", flehte 'Umar. "Wißt ihr denn nicht, dass der Gesandte Allahs gesagt
hat, das Weinen der Verwandten vergrößere den Schmerz des Sterbenden?"
Als er sein Ende
nahen fühlte, rief 'Umar seinen Sohn ´ Abdullah zu sich.
"Mein
Sohn", sagte er, "gehe zu 'A'ischa; grüße sie von 'Umar. Sprich zu ihr nicht
von mir als dem Führer der Gläubigen; denn ich bin es nicht mehr. Übermittle ihr meinen
letzten Wunsch, in ihrer Gruft an der Seite des Gesandten Allahs und meines großen
Vorgängers beigesetzt zu werden."
´A'ischa (r) weinte,
als 'Abdullah ihr den Wunsch seines Vaters überbrachte.
"Ich wollte
diesen Platz eigentlich für mein eigenes Grab freihalten, aber 'Umar gilt mir mehr",
sagte sie. 'Abdullah brachte seinem Vater 'A'ischas Einverständnis.
"Alles Lob
gebührt Allah!" sagte 'Umar. "Das war mein größter Lebenswunsch. Aber höre,
'mein Sohn, wenn du meinen Leichnam zu 'A'ischas Gruft bringst, grüße sie nochmals von
mir und bitte sie nochmals um ihre Erlaubnis. Willigt sie ein, bestatte mich dort. Sonst
bringe mich auf den Friedhof von AI-Madina."
Die
Frage nach dem Nachfolger
Die Leute baten den
sterbenden Kalifen, seinen Nachfolger zu bestimmen.
"Wenn ich es
tue", sagte 'Umar, "folge ich Abu Bakrs Beispiel. Aber wenn ich es nicht tue,
handle ich nach dem Beispiel des Gesandten Allahs. Wenn Abu 'Ubaida noch am Leben wäre,
würde ich ihn ernennen, weil der Prophet ihn den "Treuhänder der Umma" genannt
hat. Oder wenn Hudaifa, der Sklave Salims, noch lebte, hätte ich ihn ernannt, weil der
Prophet ihn "einen glühenden Verehrer Allahs" genannt hat."
"Ernenne deinen
eigenen Sohn 'Abdullah", schlug einer vor.
"Aufgrund seines
Wissens und seiner Frömmigkeit ist er sehr geeignet."
"Aus Al-Hattabs
Familie ist ein Mann genug, um vor Allah die Sache des Islam an führender Stelle zu
verantworten", entgegnete 'Umar. Wenn 'Umar diese Erwartung erfüllt hat, wird er
sehr glücklich sein. Ich habe diese Bürde während meines Lebens getragen, ich möchte
sie nach meinem Tode nicht auch noch auf meinen Schultern haben." Als man ihm die
Frage noch einmal vorlegte, sagte er: "Da sind sechs Männer, denen der
Gesandte Allahs vorhergesagt hat, daß ihnen das Himmelreich sicher sei. Es sind 'Alyy Ibn
Abi Talib, 'Utman Ihn 'Affan, 'Adurrahman Ibn 'Auf, Sa'd Ibn Abi Waqqas, Az-Zubair Ibn
al-'Awwam und Talha Ibn 'Ubaidullah.
Ich bitte sie, sich zusammenzusetzen und
aus ihrer Mitte den Kalifen zu wählen. Wenn sie sich nicht auf einen Namen einigen
können, soll die Mehrheit der Stimmen entscheiden."
'Umar
hinterließ folgendes Vermächtnis an
seinen Nachfolger:
"Fürchte Allah
und schütze die Rechte der Muhagirun und der Ansar! Gib den Armen vom Überfluß der
Reichen! Behandle die Andersgläubigen gut und stehe immer zu deinem Wort!"
Die
Todesstunde
Als es mit ihm zu
Ende ging, weinte 'Umar aus Furcht vor Allah.
"Mein
Sohn", bat er' Abdullah, ''hilf mir,meine Stirn auf den Boden zu drücken." ,
Abdulla gehorchte.
"O Allah",
murmelte der sterbende Kalif, "vergib mir. Tust du es nicht, dann wehe mir und meiner
Mutter, die mich gebar." Im nächsten Augenblick war 'Umar im Schöße Allahs
Vergebung und Erbarmen. 'Umar (r) starb am Mittwoch, dem 27. des Monats Du-1-Higga des
Jahres 23 n.H., nachdem er drei Tage verwundet gelegen hatte. Er war 63 Jahre alt
geworden.
Die
zehn Jahre von Umars Kalifat
'Umar war zehn Jahre
und sechs Monate Kalif. Diese Periode wird als das "Goldene Zeitalter des Islam"
bezeichnet: Die zarte Pflanze, die der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm,
hinterlassen und die Abu Bakr (r) gegen Stürme geschützt hatte, wuchs unter 'Umars
unermüdlicher Pflege zu einem hohen und weitverzweigten Baum heran. Der Islam wurde zu
einer Weltmacht und konnte nun die Zeiten überstehen. Jetzt war Wirklichkeit geworden,
wofür der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, vor Jahren gebetet hatte: 'Umar (r)
hatte den Islam stark und groß gemacht! Damit ist auch sein eigener Name unsterblich
geworden.
'Umars
erstaunlicher Erfolg hatte zwei Ursachen - seine Gottesfurcht und seine Liebe zum
Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm. In allem, was er tat, vergaß er keine Sekunde
lang, daß er Allah (t) verantwortlich war. Er folgte genau dem Beispiel des Propheten,
Allahs Segen und Friede auf ihm . Diese beiden Eigenschaften machten ihn zugleich zum
mächtigsten Herrscher und selbstlosesten Mann seiner Zeit.
Seine ganze Macht
setzte er ein zum größeren Ruhm Allahs und Seines Gesandten.
'Umars Heere warfen
zwei mächtige Weltreiche nieder. Aber er selbst führte ein einfaches und strenges Leben.
Außer der geringen
monatlichen Zuwendung, die ihm bewilligt worden war, erhielt 'Umar keinen Pfennig aus der
Staatskasse für sich oder seine Familie.
Als Kalif unterhielt
er diplomatische Beziehungen zu anderen Herrschern. Einmal bat seine Frau den Gesandten in
Byzanz, der Kaiserin eine Flasche Parfüm als Geschenk mitzunehmen.
Als
Gegengeschenk sandte die Kaiserin
ihr ein Perlenhalsband. Als 'Umar davon erfuhr, gab er das
Halsband zum Staatsschatz und sagte zu seiner Frau:
"Der Bote reiste
auf Kosten der Allgemeinheit."
Abends pflegte der
Kalif aus dem Baitu-1-Mal Öl für seine Lampe zu verbrauchen. Dies tat er aber nur so
lange, wie er die Papiere für die Staatsgeschäfte durcharbeitete. Danach löschte er die
Lampe, obwohl er kein anderes Licht in seinem Hause hatte.
'Umar kümmerte sich
persönlich auch um die geringsten Angelegenheiten des Volkes wobei er sich wie ein
Schwerarbeiter abmühte. Jeden Abend machte er einen Rundgang durch die Stadt, um sich mit
eigenen Augen zu überzeugen, wie das Volk lebte und fühlte. Er war stets bereit, denen
zu helfen, die seine Hilfe brauchten. Auf seinen Schultern schleppte er Proviant herbei
und gab ihn in den Häusern der Armen ab. Nichts konnte 'Umar davon abhalten, seine
Pflicht gegenüber dem Volk zu erfüllen. Alle Bürger einschließlich des Kalifen waren
vor dem Gesetz gleich. Einmal mußte 'Umar vor dem Gericht in AI-Madina erscheinen; denn
jemand hatte gegen ihn geklagt. Als er das Gericht betrat, stand der Richter auf, um ihm
seine Achtung zu erweisen.
"Das ist die
erste Ungerechtigkeit, die du dem Kläger gegenüber begangen hast", sagte 'Umar zum
Richter. Moderne, demokratische Staaten müssen dieses Maß an Aufrichtigkeit erst noch
erreichen; denn ihre höchsten Vertreter dürfen vor ein gewöhnliches Gericht nicht
vorgeladen werden.
Der größte Wunsch
'Umars war es, die Segnungen des Islam in vollem Maße allen Völkern zuteil werden zu
lassen, die unter seiner Herrschaft standen. Er war für jedermann erreichbar. Selbst der
einfachste Mann konnte ihn auf der Straße ansprechen. Er konnte den Kalifen fragen, warum
er diese oder jene Anordnung getroffen habe. Auch eine arme Frau konnte ihm widersprechen
und ihn auf irgendeinen Fehler aufmerksam machen. Trotz all seiner Macht und Frömmigkeit
hielt er sich nicht für fehlerlos. Er begrüßte es, wenn Ansichten geäußert wurden,
die mit seinen nicht übereinstimmten.
"Allahs Gnade
komme über die, welche mich zur Erkenntnis meiner Unzulänglichkeit bringen", sagte
er.
'Umar (r)
wünschte, daß seine Gesandten ebenso handelten wie er selbst. Er dachte vor allem an die
unwürdigen Traditionen von Persien und Byzanz und fürchtete, daß diese Traditionen den
freien Geist des Islam überziehen würden. Deshalb hatten die Statthalter strenge
Anweisung, sich nicht vom Volk abzusondern. Sie erhielten den Befehl, einfach zu essen und
sich einfach zu kleiden. Es war ihnen untersagt, Vorhallen vor ihren Häusern zu
errichten. Sie durften auch keine Wächter vor den Türen haben. 'Umar (r) bestand darauf,
daß die Herrscher mit dem Volk eins sein sollten und verlangte, daß sie sich zwanglos
unter das Volk mischten. Sie sollten für jeden Mann und für jede Frau, die unter ihrer
Herrschaft lebten, erreichbar sein. 'Umar (r) suchte die enge Verbindung zur Alltagsarbeit
seiner Verwalter, um sicher zu sein, daß seine Anordnungen auch befolgt würden.
Vertrauenswürdige Beobachter bereisten das weite persische Reich, um den Kalifen Bericht
zu erstatten.
Einmal erfuhr 'Umar
(r), daß einer seiner Statthalter sich vom Volke abgesondert hatte. Er wurde daraufhin
sofort nach Al-Madina zurückberufen. Der Kalif ließ ihn sein seidenes Gewand ablegen und
schickte ihn als Schafhirten in die Wüste. 'Umars Gerechtigkeit machte auch vor dem
höchsten Rang nicht Halt.
'Umar hatte ein
großes Reich zu verwalten und erwies sich dieser Aufgabe mehr als gewachsen. Sie bestand
darin, sich um ausgedehnte militärische Unternehmungen zu kümmern, die gleichzeitig im
Osten und im Westen stattfanden. Er meisterte diese Herausforderung mit erstaunlichem
Erfolg. Danach mußte er Frieden und Ordnung in seinem riesigen Reich schaffen. Auch
hierin war sein Erfolg unerreicht. Nirgendwo in der übrigen Welt kannte man so viel
Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit, wie er sie seinem Volk gab. Kurz gesagt: 'Umar (r)
wurde zur Quelle, aus der unverfälscht der Segen floß, den der Gesandte Allahs, Allahs
Segen und Friede auf ihm, der Menschheit gebracht hatte.
Quelle: www.dienerallahs.de
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