Uthman ibn Affan
(Der dritte Kalif)
"Möge
Allah dieses Paar behüten! Nach Lot ist Utman der erste Mann, der mit seiner Frau das
bequeme häusliche Leben Allahs wegen aufgibt."
So sprach der
Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, als sein Schwiegersohn Utman von Makka nach
Abessinien aufbrach, um der Verfolgung durch die Makkaner zu entgehen.
Utman war
etwa sechs Jahre jünger als der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm. Sein Vater
hieß 'Affan, seine Mutter 'Arwa. Seine Großmutter war eine Tochter 'Abdulmuttalibs und
somit eine Tante des Propheten. Utman gehörte zu den Banu Umayya, einem Zweig des Stammes
der Qurais. Banu Umayya waren den Banu Hasim ebenbürtig. Die Fahne der Qurais war in
ihrer Obhut.
Der heranwachsende Utman wurde Tuchhändler. Sein Geschäft wuchs rasch, und er wurde
einer der angesehensten Kaufleute der Stadt. Oft kam er geschäftlich nach Syrien. Das
blühende Geschäft brachte ihm Reichtum und Ansehen. Utman war ein äußerst gutherziger
Mann, für den der Reichtum ein Mittel war, anderen zu helfen. Wenn irgendwo mit Geld Not
beseitigt werden konnte, war Utman immer zur Hilfe bereit.
Utman nimmt den Islam an
Abu Bakr war
es, der Utman für den Islam gewann. Sie waren gute Freunde. Der Prophet, Allahs Segen und
Friede auf ihm, gehörte zu den Banu Hasim, Utman zu den Banu Umayya. Zwischen beiden
Stämmen bestand eine alte Rivalität. Das hinderte Utman jedoch nicht, den Glauben
Muhammads
anzunehmen, sobald er von der Botschaft des Islam erfuhr. Er war einer der ersten Muslime.
Der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, gab ihm seine Tochter Ruqayya zur Frau.
Sein Übertritt zum Islam brachte Utman Konflikte mit seinen Verwandten. Sein Onkel
Al-Hakam fesselte ihn sogar an Händen und Füßen und sperrte ihn in einen dunklen Raum.
Aber Utman nahm mit Freuden alle Misshandlungen auf sich und weigerte sich, den Islam
aufzugeben.
Die Qurais, die Utman einst liebten, wurden jetzt seine Feinde. Selbst seine eigenen
Verwandten wollten nichts mehr mit ihm zu tun haben. Das machte ihn unglücklich. Er ging
zum Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, und erhielt auf seine Bitte hin die
Erlaubnis, nach Abessinien auszuwandern. Er war der erste Muslim, der dorthin aufbrach.
Mit seiner Frau überquerte er das Rote Meer und suchte Zuflucht in Abessinien. Die beiden
waren die ersten, die ihr Haus und all ihren Besitz um Allahs willen aufgaben. Als die
Muslime von Makka nach AI-Madina auswanderten, kam auch Utman mit seiner Frau dorthin und
ließ sich in dieser Stadt nieder.
Verbundenheit mit dem Propheten
Utman (r)
gehörte zu denen, die dem Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, sehr nahe standen.
Er kämpfte in allen Schlachten mit Ausnahme von Badr an der Seite des Gesandten Allahs.
An der Schlacht von Badr konnte er nicht teilnehmen, weil seine Frau Ruqayya sehr krank
war; der Prophet selbst hatte ihm gesagt, er solle in AI-Madina bleiben und sich um seine
kranke Frau kümmern. Ruqayya (r) starb an dieser Krankheit.
Utman (r) nahm sich den Tod seiner Frau sehr zu Herzen. Er war
aber auch deshalb traurig, weil er nun nicht mehr die Ehre hatte, der Schwiegersohn des
Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, zu sein. Als der Prophet das bemerkte, gab er
ihm seine zweite Tochter Umm Kultum zur Frau. Dies war eine besondere Ehre und brachte
Utman den Namen "Du-n-Nurain" (=Besitzer von zwei Lichtern) ein.
Im sechsten Jahr nach der Higra wurde der Vertrag von AI-Hudaibiya unterzeichnet. Utman
spielte eine wichtige Rolle bei diesen Friedensverhandlungen.
Er war es,
der vom Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, ausgesandt wurde, um Kontakt mit den
Qurais aufzunehmen. Diese hatten nichts dagegen, wenn Utman die Al-Ka'ba allein besuchte;
aber sie wollten nicht, dass der Gesandte Allahs Makka betrete. Utman (r) erklärte:
"Es ist
undenkbar, dass ich einwillige, ein Vorrecht vor dem Propheten zu haben. Wenn er das Haus
Allahs nicht besuchen kann, dann will ich es auch nicht tun."
Utmans feste
Haltung zwang schließlich die Qurais, nachzugeben.
Währenddessen
verbreitete sich das Gerücht, dass Utman von den Qurais getötet worden sei. Die
Nachricht erschütterte den Propheten so sehr, dass er sich entschloss, den Tod Utmans zu
rächen. Er stellte sich unter einen Baum und ließ sich von seinen Anhängern in die Hand
versprechen:
"Ich
will bis zum Tode um Utmans willen kämpfen."
In solch
hohem Ansehen stand Utman beim Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm! Das Gerücht
erwies sich jedoch als unwahr, und Utman (r) kam unversehrt zurück. Als die muslimischen
Auswanderer nach Al-Madina kamen, hatten sie am Anfang große Schwierigkeiten, Trinkwasser
zu
bekommen. Es
gab zwar einen Brunnen, aber der gehörte einem Juden. Er wollte den Auswanderern nicht
erlauben, Wasser daraus zu schöpfen. Da sagte der Prophet, Allahs Segen und Friede auf
ihm:
"Wer
kauft diesen Brunnen für die Muslime? Allah wird ihn mit einem Quell im Paradies
belohnen."
Da kaufte
Utman den Brunnen für 20.000 Dirham und übergab ihn den Muslimen zur freien Benutzung.
Als dann die
Muslime zahlreicher wurden, war die Moschee des Propheten, Allahs Segen und Friede auf
ihm, zu klein für sie. Der Prophet fragte:
"Wer gibt Geld für die Erweiterung der Moschee?"
Wieder war es
Utman, der half. Er kaufte das angrenzende Grundstück für die Erweiterung hinzu.
Im Jahre 9
n.H. erreichten den Propheten Berichte, dass der Kaiser von Byzanz Vorbereitungen für den
Kampf gegen Al-Madina treffe. Das beunruhigte die Muslime sehr, und der
Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, begann, Gegenmaßnahmen zu
treffen, und rief das Volk zu Spenden auf. Utman gab 1000 Kamele, 50
Pferde und 1000 Goldstücke. Der Prophet betrachtete das aufgehäufte Gold und
erklärte: "Was Utman von nun an auch tut, es wird ihm keinen Schaden bringen."
Utman (r) war
einer der Schreiber des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm. Er war also einer der
Männer, die Teile des Qur'an niederschrieben, sobald sie dem Propheten offenbart wurden.
Er war auch einer der zehn Sahaba, von denen der Prophet sagte, dass ihnen das Paradies
sicher sei.
Durch seine
Verbundenheit mit dem Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, nahm Utman eine hohe
Stellung unter den Sahaba ein, und er wurde später einer der Ratgeber von Abu Bakr und
'Umar während ihres Kalifats.
'Umar (r) hatte
sechs Männer benannt, die aus ihrer Mitte den Kalifen wählen sollten, und zwar 'Alyy Ibn
Abu Talib, 'Utman Ibn 'Affan, 'Adurrahman Ibn 'Auf, Sa'd Ibn Abi Waqqas,
Az-Zubair Ibn al-'Awwam und Talha Ibn 'Ubaidulläh.
Nach 'Umars Willen mussten sie innerhalb von drei Tagen nach
seinem Tode die Wahl getroffen haben. Die Männer kamen zusammen, wie 'Umar (r) es
angeordnet hatte. Talha (r) konnte an der Zusammenkunft jedoch nicht teilnehmen, weil er
für einige Tage Al-Madina verlassen hatte.
Die Sitzung
dauerte lange; denn man kam zu keiner Einigung. Da sagte 'Abdurrahman Ibn 'Auf (r):
"Wenn
einer zurücktritt, soll er das Recht haben, den Kalifen zu ernennen. Wer
verzichtet?"
Alle blieben
stumm. Darauf sagte er:
"Ich verzichte."
Außer 'Alyy
waren alle mit 'Abdurrahmans Entscheidung einverstanden. 'Abdurrahman fragte 'Alyy, was er
dazu zu sagen habe. 'Alyy erwiderte:
"Versprich, gerecht zu sein. Versprich, nicht mit Rücksicht auf Verwandtschaft
parteiisch zu sein. Versprich, dass dir nur das Wohlergehen des Volkes wichtig ist. Wenn
du das versprichst, will auch ich deinem Vorschlag zustimmen."
'Abdurrahman versprach dies alles. Nun fiel ihm die Wahl des Kalifen zu. 'Abdurrahman war
sich der schweren Verantwortung bewusst, die er auf sich geladen hatte. Auf die
Nachricht von 'Umars Tod waren von allen Teilen des Reiches die Vertreter der
öffentlichen Meinung nach Al-Madina geeilt. 'Abdurrahman ging nun zu jedem von ihnen und
führte lange Gespräche. Die Banu Hasim waren für 'Alyy, alle anderen gaben 'Utman den
Vorzug. Die anderen Kandidaten kamen für sie nicht in Frage.
'Abdurrahman
sprach nun mit den beiden zur Wahl stehenden Kandidaten.
"Wen
hältst du für die am meisten geeignete Person nach dir?" fragte er 'Alyy.
'"Utman",
lautete die Antwort.
Er stellte 'Utman dieselbe Frage, und dieser nannte 'Alyy.
Schließlich
kam die dritte Nacht, und am Morgen sollte 'Abdurrahman seine Entscheidung bekannt geben.
Die ganze Nacht über führte er lange Gespräche mit den anderen vier. Er machte eine
letzte Anstrengung, um eine einstimmige Entscheidung herbeizuführen. Aber er erreichte
sie nicht; denn die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Banu Hasim und den Banu Umayya
konnten nicht beigelegt werden. Schließlich wurden diese Gespräche durch den Ruf zum
Morgengebet beendet.
Nach
dem Gebet wartete das Volk mit gespannter
Aufmerksamkeit darauf, was 'Abdurrahman zu sagen hätte. Er stand auf, betete einige
Minuten und bat Allah (t), seine Gedanken zu lenken. Dann sagte er zum Volk:
"O Leute, ich habe über diese Sache nach bestem Können nachgedacht und
mit verschiedenen Leuten darüber gesprochen und ihre Meinung angehört.
Ich hoffe, dass ihr mit meiner Entscheidung einverstanden seid."
Dann rief 'Abdurrahman Utman und sagte zu ihm: "Versprich, dass du nach den Geboten
des Qur'an und der Sunna des Propheten und seiner beiden Kalifen handeln wirst!"
"Ich
verspreche, es nach bestem Können und Wissen zu tun", erklärte Utman.
Dann gelobte
'Abdurrahman Ibn 'Auf ihm die Treue. Alle Anwesenden folgten seinem Beispiel, auch 'Alyy.
So wurde Utman der dritte Kalif des Islam.
Die erste Ansprache
Nach dem Treuegelöbnis stand Utman (r) auf, um zur Versammlung zu
sprechen, und alle waren begierig zu hören, was der neue Kalif zu sagen hätte. Die Last
der neuen Verantwortung aber ließ Utman erzittern, so dass er nur sagen konnte:
"Es ist nicht leicht, ein neues Pferd zu reiten. Ich werde, so Allah will, an anderen
Tagen Gelegenheit haben, zu euch zu sprechen. Aber ihr wisst, dass ich kein guter Redner
bin."
Der erste Rechtsfall
Der erste Fall, der Utman (r) zur
Entscheidung vorgelegt wurde, war der Fall 'Ubaidullahs, des zweiten Sohnes 'Umars.
'Ubaidullah hatte die beiden Perser Hurmuzan und Dschafina getötet. Er hielt sie nämlich
für die Mitverschwörer Abu Lu'lu'as, des Mörders seines Vaters.
Am Abend vor dem Attentat auf
'Umar (r) hatte 'Abdurrahman, der Sohn Abu Bakrs, gesehen, dass Abu
Lu'lu'a bei Hurmuzan und Dschafina stand und dass sie miteinander flüsterten. Als
'Abdurrahman vorbeiging, erschraken sie, und ein zweischneidiger Dolch fiel zu Boden. Nach
dem Tode seines Vaters prüfte 'Ubaidullah den Dolch des Mörders Er entsprach genau der
von 'Abdurrahman gegebenen Beschreibung. 'Ubaidullah, der sicher war, dass Abu Lu'lu'a
nicht allein für den Mord verantwortlich war, tötete in einem Wutanfall die beiden
anderen, die er an dem Komplott beteiligt wähnte.
Der Fall wurde Utman (r) vorgelegt, der ihn mit den
führenden Sahaba besprach. 'Alyy sagte,
dass die Zeugenaussage eines einzigen Mannes nicht ausreiche, um Hurmuzan und
Dschafina für schuldig zu erklären. Daher schlug er die Todesstrafe für 'Ubaidullah
vor. Die übrigen Sahaba waren anderer Meinung.
Utman (r)
fand einen Ausweg: Er zahlte selbst das Blutgeld für die beiden Perser. Da sie keine
Verwandten hatten, stand dem Kalifen das Recht zu, stellvertretend für diese zu handeln,
und mit dieser Entscheidung waren alle einverstanden.
Die erste Anweisung
Der neue Kalif gab eine Anweisung an alle
zivilen und militärischen Stellen. Danach sollten sie gerecht handeln, ehrlich in
Geldgeschäften und tolerant gegenüber Andersgläubigen sein. Ferner sollten die
Verantwortlichen zu ihrem Wort stehen, selbst dem Feind gegenüber. Sie wurden daran
erinnert, dass sie nichts anderes seien als die Diener und Hüter des Volkes, nicht aber
seine Herren und Herrscher.
Sa'd Ibn Abi Waqqas (r), der Statthalter von Al-Kufa, nahm ein Darlehen aus der
Staatskasse und versäumte, es rechtzeitig zurückzugeben. Der Schatzmeister 'Abdullah Ibn
Mas'ud (r) berichtete dies dem Kalifen, und daraufhin entließ Utman (r) Sa'd. Dies
geschah im Jahre 26 n.H.
Eine
tapfere Frau
Azerbeidschan und Armenien wurden noch zu 'Umars Zeiten erobert.
Sie waren dem Statthalter von Al-Kufa unterstellt. Als Sa'd Ibn Abi Waqqas (r) sein Amt
aufgeben musste, rebellierte Azerbeidschan. Utman (r) befahl militärisches Eingreifen,
und die Provinz stand wieder unter islamischer Flagge.
Auch Armenien
hatte sich aufgelehnt. Deshalb beauftragte Utman (r) Salman Ibn Rabi'a und Habib Ibn
Muslima mit der Wiedereroberung dieser Provinz.
Habib, der
seine Frau auf den Feldzug mitgenommen hatte, erfuhr eines Tages, dass der Befehlshaber
des armenischen Heeres einen Angriff vorbereite.
Da Habib nicht genug Truppen hatte, entschloss er sich zu einem nächtlichen Vorstoß, ehe
der Feind losschlagen konnte. Seine Frau sah, wie er eines Abends die Waffen anlegte, und
fragte ihn, warum er das zu so später Stunde tue.
"Mein
Ziel ist heute nacht das Zelt des armenischen Heeresführers oder der Garten des
Paradieses", antwortete er. Da hatte seine Frau plötzlich einen Einfall und sagte
sich: "Warum soll ich eigentlich diese Ehre nicht mit meinem Mann teilen?"
Sobald er
gegangen war, eilte auch sie zum feindlichen Lager. Mitten in der Nacht führte Habib
seinen Handstreich aus; die Feinde wurden völlig überrascht. Nachdem Habib die
armenischen Wachen getötet hatte, erreichte er das Zelt des Befehlshabers - wo seine
Frau, gekleidet und bewaffnet wie ein Soldat, schon auf ihn wartete. Zusammen überfielen
sie den Befehlshaber und töteten ihn.
Der nordafrikanische Feldzug
'Amr Ibn
AI-'As war der erste muslimische Statthalter Ägyptens und blieb es eine Zeitlang unter
Utman (r).
Im Jahre 25 n.H. wurde er durch 'Abdullah Ibn Sara ersetzt. Bald darauf brach in
Alexandrien ein Aufstand aus, der von Byzanz unterstützt wurde. Da sandte Utman wieder
'Amr Ibn Al-'As nach Ägypten, der den Aufstand niederwarf; danach wurde 'Abdullah jedoch
wieder Statthalter.
Im Jahre 26 n.H. erhielt der Gouverneur von Ägypten vom Kalifen den Befehl, weiter in
Nordafrika vorzudringen. Zu 'Umars Zeit hatte 'Amr Ihn Al-'As das damalige Libyen erobert,
und 'Abdullah Ibn Sara sollte nun nach Tripolitanien vordringen. Der Kalif sandte auch ein
Heer aus Al-Madina zur Verstärkung. Diesem Heer gehörten einige der besten Männer
Al-Madinas an wie Ibn 'Abbas, Ibn 'Umar, Ibn Ga'far, Ibn Az-Zubair, Al-Hasan und
Al-Husain, Allahs Friede auf ihnen allen. Denn der Kalif wollte ganz sicher gehen, dass
der nordafrikanische Feldzug ein Erfolg würde.
Der Aufstand in Alexandrien hatte gezeigt, dass es notwendig war, ganz Nordafrika zu
besetzen: Byzantinische Militärbasen in Nordafrika waren eine ständige Bedrohung für
die Sicherheit Ägyptens, und der Kalif entschied sich, diese Gefahr zu beseitigen.
'Abdullah Ibn Sara verteilte seine Streitmacht über Tripolitanien. Von diesen
Militärstützpunkten aus wollte er die Byzantiner bekämpfen.
Nahe der Stadt Al-Ya'quba fand er seinen Weg durch ein mächtiges Heer von mehr als
120.000 Mann versperrt, während das islamische Heer viel kleiner war.
Die Schlacht begann; sie dauerte einige Tage ohne einen klaren Vorteil für eine der
beiden Seiten. Den Kern der byzantinischen Streitmacht bildeten die Berber, und sie waren
furchtlose Kämpfer. Einige Tage lang schien der Ausgang der
Schlacht ungewiss. Da fasste der byzantinische Befehlshaber einen
schlauen Plan: Er versprach demjenigen eine hohe Belohnung, der 'Abdullah den Kopf
abschlagen würde. Die Belohnung bestand aus 100.000 Goldstücken und der Hand seiner
eigenen schönen Tochter.
Diese
Ankündigung ließ 'Abdullah Ibn Sara auf der Hut sein, und er verbrachte die meiste Zeit
in seinem Zelt. 'Abdullah Ibn Az-Zubair bemerkte dies und gab im islamischen Heer eine
ähnliche Bekanntmachung heraus: Wer den Kopf des byzantinischen Befehlshabers abschlagen
würde, sollte 100.000 Goldstücke erhalten. Kurz darauf wurde der byzantinische
Befehlshaber getötet. Sein Heer floh, und der Sieg der Muslime war vollständig.
Nun begann
die Suche nach dem Mann, der den byzantinischen Befehlshaber getötet hatte; es meldete
sich jedoch niemand, um die Belohnung in Empfang zu nehmen. Schließlich erkannte die
Tochter des byzantinischen Befehlshabers selbst den Mann, der ihren Vater erschlagen
hatte: Es war kein anderer als 'Abdullah Ibn Az-Zubair. Dieser Sieg über die Byzantiner
machte den Weg frei für den späteren Vormarsch der Muslime in Nordafrika.
Die erste Seeschlacht
Im Jahre 31
n.H. erlebten die Muslime ihre erste Seeschlacht. Jetzt war Konstantin Kaiser von Byzanz.
Er setzte alles daran, um Alexandrien zurückzugewinnen, und so segelte eine Flotte von
500 Schiffen nach Ägypten.
Die Muslime waren auf den Angriff vorbereitet: Mu'awiyas Flotte
stach von Syrien aus in See, und 'Abdullah Ibn Sara, der Statthalter von Ägypten, ließ
seine Flotte ebenfalls auslaufen. Beide Flotten segelten auf hoher See, bis der Feind
gesichtet wurde. Nun begann eine schreckliche Seeschlacht. Für die Muslime war es das
erste Seegefecht, aber es fiel ihnen nicht schwer, ihre Überlegenheit zu beweisen.
Unmengen von toten Byzantinern lagen bald im Meer, das sich vom Blut rot färbte. Die
byzantinische Flotte wurde kampfunfähig gemacht, die übriggebliebenen Schiffe brachten
die Flüchtlinge nach Sizilien. Die islamische Flotte aber kehrte siegreich heim.
Auf diese bedeutungsvolle Schlacht
gründete sich die islamische Seemacht. Sie sollte den Arabern die unbestrittene
Herrschaft über die Meere für viele Jahrhunderte bringen. Erst zu Beginn des 9.
Jahrhunderts n.H. verloren sie ihre Macht zur See, und damit begann der Verfall der
islamischen Vorherrschaft in der Welt.
Unruhen in Persien
Im Jahre 26
n.H. gab es einen Aufstand in Persien. Der muslimische Statthalter in Al-Basra ging gegen
die Rebellen vor, und sie wurden besiegt und bestraft. Darauf kehrten wieder Frieden und
Ordnung in Persien ein.
Im Jahre 30 n.H. rückte der Gouverneur von Al-Kufa mit einer großen Streitmacht nach
Tabristan vor, das er eroberte, und im Jahr darauf wurde ein Aufstand in Khurasan
niedergeschlagen.
Im Jahr 31 n.H. wurde auch der frühere Herrscher Persiens,
Yezdegerd, getötet. Er hatte zwar sein Reich, aber nicht seine Hoffnung verloren. Er war
von Ort zu Ort gezogen, hatte Unruhe in den Grenzbezirken gestiftet und verursachte die
meisten Aufstände in Persien.
Seine letzte
Unternehmung war ein Überfall auf Sistan. Mit Hilfe einiger Hauptleute von Turkestan fiel
er dort ein. Er wurde jedoch völlig besiegt und floh, um sein Leben zu retten. In einer
Wassermühle fand er schließlich Zuflucht. Er war allein, und der Müller erkannte ihn
nicht; aber die reiche Kleidung und die Juwelen reizten den Müller so sehr, dass er den
elenden Kaiser tötete und seinen Leichnam in den Fluss warf. So endete das wechselhafte
Schicksal des letzten persischen Kaisers. Mit dem Tod Yezdegerds hörten auch die
ständigen Unruhen in Persien auf.
Der Aufruhr
Utmans
Kalifat wurde überschattet durch zunehmende innere Unruhen im islamischen Reich, die
schließlich zur Ermordung des Kalifen führten.
Utman (r) war ein sehr gütiger und weichherziger Mann. Oft sah er
über die Fehler anderer hinweg, aber dadurch wurden die Statthalter in den Provinzen und
andere Offiziere übermütig. 'Umars feste Hand hatte sie daran gehindert, die Sitten und
Gebräuche der Höfe von Persien und Byzanz zu übernehmen. Utmans Hand erwies sich jedoch
als zu weich für diese Aufgabe. Das Ergebnis war Unruhe in den Hauptstädten der
Provinzen. Sie wuchs, bis sie sich über die ganze islamische Welt ausbreitete. Zudem war
Utman (r) schon ein alter Mann, als er das Kalifat übernahm. Schlaue Leute zogen Vorteil
aus seiner weichherzigen Führung der Staatsgeschäfte.
Abdullah Ibn Sebe
Abdullah Ibn
Saba', ein schlauer Jude aus dem Yemen, spielte eine führende Rolle in diesem Drama.
Während Utmans Kalifat kam er nach Al-Madina und wurde dem Augenschein nach ein frommer
Muslim, hegte aber andere Absichten. Er blieb einige Monate in Al-Madina, um die
Verhältnisse kennenzulernen. Dabei fand er heraus, dass die Banu Hasim das Kalifat als
ihr natürliches Recht betrachteten: Sie meinten, dass 'Alyy und nicht Utman Kalif hätte
sein sollen. 'Abdullah Ibn Saba' wollte aus dieser Lage einen Vorteil für sich
herausschlagen.
Mit großem Geschick ging er ans Werk. Er ging von der "Liebe
zum Propheten und seinen Verwandten" aus und spann eine kluge Geschichte.
"Jeder
Prophet", sagte er, "hinterlässt einen Wasyy. Dieser Wasyy muss ein naher
Verwandter des Propheten sein. Aaron war der Wasyy von Moses. So muss auch der Prophet
einen Wasyy haben, der seine Mission fortführt. Muhammad war der letzte Prophet. So war
auch 'Alyy der letzte Wasyy. Als Wasyy ist 'Alyy der einzig rechtmäßige Kalif. Utman
muss daher das Kalifat abgeben."
'Abdullah Ibn
Saba' verbreitete seine Ansichten zuerst heimlich. Er suchte wichtige Städte des Reiches
auf und gründete in jeder Stadt einen Geheimbund. Dafür wählte er Männer aus, die gern
auf ihn hörten. Das waren hauptsächlich Leute, die irgendeine wirkliche oder
eingebildete Klage gegen die Führung vorbrachten. Es war leicht, ihnen einzureden, dass
der Kalif die Ursache allen Übels sei.
Als das Netz der Geheimbünde das ganze Reich überzog, errichtete 'Abdullah Ibn Saba'
sein Hauptquartier in Ägypten.
Die
Geheimbünde nahmen rasch an Stärke zu. Dazu benutzten sie die folgende Methode:
- Ihre
Mitglieder stellten ihre Frömmigkeit öffentlich zur Schau. Sie gaben sich als Menschen
aus, die das Beste für das Volk wollten.
- Sie
erfanden Beschwerden gegen Utman (r) und seine Befehlshaber. Einige dieser Klagen waren
ohne Zweifel berechtigt, aber darunter mischten sie Dinge, die gar nicht existierten.
- Eine
planmäßige Hetze wurde gegen alle Befehlshaber betrieben. Sie wurden als unreligiös und
unfähig bezeichnet.
- Gefälschte
Briefe wurden von Stadt zu Stadt gesandt. Diese Briefe sprachen von Ungerechtigkeit und
Unruhe in der Stadt ihres Ursprungs. Die Sabaiten, wie die Anhänger Ibn Saba's genannt
werden, lasen diese Briefe so vielen Menschen wie möglich vor. So wurden auch Briefe
gefälscht, die zeigen sollten, dass Alyy, Talha, Az-Zubair und andere bekannte Sahäba
des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, mit der Bewegung sympathisierten. Dies
ließ die Leute glauben, dass die Unruhe weitverbreitet sei und dass die führenden
Sahäba den Kalifen absetzen wollten.
Unruhe in den Provinzen
'Abdullah Ibn
Saba's Plan war nicht ohne Erfolg. Al-Basra war die Hauptstadt einer der Provinzen, und
Abu Musa AI-As'aryy (r) war dort Statthalter. Eines Tages hielt er eine Ansprache, in der
er sagte, dass die Muslime wie in den ersten Jahren des Islam den ganzen Weg zum
Schlachtfeld zu Fuß zurückzulegen hätten. Er erklärte auch, wie sehr solche Leute von
Allah (t) belohnt worden seien.
Einige Tage danach musste sich Abu Musa an die Front begeben und
ritt dabei auf einem Pferd. Dies verursachte nun einen Aufruhr gegen ihn.
"Schaut
den Statthalter an!" ging es durch die Menge. "Er spricht anders als er handelt.
Warum reitet er in die Schlacht? Warum geht er nicht zu Fuß, damit ihn Allah mehr
belohne?" Die Agenten Ibn Saba's spielten mit den Gefühlen des Volkes. Sie trieben
es so weit, dass die Leute wirklich wütend auf Abu Musa wurden. Eine Abordnung begab sich
nach Al-Madina, und der Kalif sah sich gezwungen, Abu Musa zu entlassen.
Neuer
Statthalter in Al-Basra wurde 'Abdullah Ibn 'Amir. Auch gegen ihn hetzten die Sabaiten.
"Er ist
ein unerfahrener, junger Mann", sagten sie, "und sogar noch ein Verwandter des
Kalifen! Utman besetzt alle Schlüsselstellungen mit seinen Verwandten."
Al Kufa in der Gewalt von Straßenbanden
Al-Küfa war die Hauptstadt einer anderen Provinz und Sa'd Ibn Abi
Waqqas ihr Gouverneur. Er hatte Persien erobert. Eine Anleihe, die er dem Staatsschatz
entnommen hatte, konnte er nicht rechtzeitig zurückzahlen. Als der Kalif eine Klage
darüber erhielt, entließ Utman (r) ihn.
Sa'd wurde durch Al-Walid Ibn 'Uqba ersetzt, der ein energischer Mann war. Er ergriff
unverzüglich Maßnahmen gegen Unruhestifter. Eines Nachts drangen einige von ihnen in ein
fremdes Haus ein. Sie nahmen dem Besitzer all sein Geld und töteten ihn. Alle wurden
eingesperrt und zum Tode verurteilt.
Der Tod dieser Bande erzürnte die Sabaiten. Ein strenger Mann wie
Al-Walid Ibn 'Uqba konnte ihnen wirklich gefährlich werden. Deshalb brachten sie eine
falsche Klage gegen ihn vor und behaupteten, er sei ein Trinker. Eine Abordnung machte
sich nach AI-Madina auf. Zwei Männer bezeugten vor dem Kalifen und seinen Ratgebern, dass
sie gesehen hätten, wie ihr Gouverneur Wein getrunken habe. Das Urteil, das 'Alyy
bekanntgab, lautete auf schuldig. Daraufhin entließ Utman den Gouverneur.
Al-Walid wurde durch Sa'd Ibn AI-'As ersetzt, und dieser neue Gouverneur empfing jeden
Abend Leute aus dem Volk in seinem Haus. Er saß mitten unter ihnen und sprach mit ihnen
über ihre Probleme. Jeder konnte ihn besuchen. Zu diesen Zusammenkünften erschienen die
Sabaiten in großer Zahl. Allmählich fingen sie an, Unruhe zu stiften. Eines Abends
überfielen sie einen Mann und schlugen ihn in Gegenwart des Gouverneurs. Dieser fühlte
sich dadurch gedemütigt, aber auch hilflos. Die Übeltäter waren so mächtig, dass er
nicht gegen sie einschreiten konnte. Die Lage wurde so unerträglich, dass das Volk dem
Kalifen schrieb. Es bat ihn, die Stadt von den Straßenbanden zu befreien.
Utman (r) gab dem Gouverneur die schriftliche Anweisung, diese Bande nach Syrien zu
Mu'awiya zu schicken. Er hoffte, dass dieser sie zur Vernunft bringen würde. Der Befehl
des Kalifen wurde ausgeführt, und Mu'awiya versuchte, sie durch Güte auf den rechten Weg
zu bringen. Doch darauf reagierten diese verdorbenen Menschen nicht und wurden
unverschämt gegen Mu'awiya. Deshalb schrieb er dem Kalifen, dass er solch schlechte
Menschen nicht bessern könne.
Nun schickte
Utman (r) sie zu 'Abdurrahman Ibn Halid, dem Gouverneur von Hirns. Er war ein
unnachgiebiger Mann, der hart mit diesen Burschen verfuhr und sie so zur Vernunft brachte.
Sie bedauerten ihre Taten und versprachen, sich künftig gut zu betragen. 'Abdurrahman
setzte den Kalifen davon in Kenntnis, und in seinem Antwortbrief befahl Utman (r), sie
nach Al-Kufa zurückzuschicken, wenn sie ehrlich meinten, was sie sagten. Aber als sie
wieder in Al-Kufa waren, trieben sie ihr Unwesen genauso arg wie zuvor.
Ägypten wird zum Zentrum der Gegner Utmans
'Abdullah Ibn
Saba' wählte Ägypten als Zentrum seiner Partei. Er hatte dafür mehrere Gründe: Der
wichtigste war, dass Ägypten in der Mitte zwischen dem östlichen und dem westlichen Teil
des Reiches lag.
Zweitens war 'Amr Ibn Al-'As (r), der frühere Gouverneur von
Ägypten, ein beliebter Statthalter gewesen; sein Nachfolger, 'Abdullah Ibn Sara, war
lange nicht so populär. 'Amr war von Utman (r) abgesetzt worden. Für Ibn Saba' war dies
eine günstige Gelegenheit, Unzufriedenheit im Volk zu schüren. Drittens war der neue
Gouverneur durch den Feldzug in Nordafrika länger als ein Jahr von Ägypten abwesend. Ibn
Saba' hatte dadurch freie Hand, seine Pläne in Ruhe zu verwirklichen.
In Ägypten
hatte Ibn Saba' auch zwei mächtige Verbündete in Muhammad Ibn Hudaifa und Muhammad Ibn
Abi Bakr. Beide waren Utmans Gegner.
Der erstere
war als Waise von Utman (r) aufgezogen worden. Als er erwachsen war, bat er den Kalifen um
einen Posten als Statthalter einer Provinz. Utman hielt ihn jedoch
nicht für
befähigt für ein so hohes Amt und schlug ihm diese Bitte ab. Dadurch war Muhammad Ibn
Hudaifa so verärgert über den Kalifen, dass er nach Ägypten ging und gegen 'Utman
arbeitete.
Muhammad Ibn
Abi Bakr war ebenfalls aus persönlichen Gründen über den Kalifen erzürnt. Er war von
'Alyy (r) aufgezogen worden; seine Mutter, die Witwe Abu Bakrs, hatte nach dessen Tod
'Alyy (r) geheiratet.
Als Muhammad Ibn Abu Bakr einem Gläubiger, von dem er eine gewisse Summe geliehen hatte,
sein Geld nicht rechtzeitig zurückgab, verklagte der Gläubiger ihn beim Kalifen. Utman
(r) fällte sein Urteil äußerst unparteiisch. Muhammad Ibn Abi Bakr war dadurch jedoch
beleidigt und ging nun auch nach Ägypten, wo er sich den Feinden des Kalifen anschloss.
'Abdullah Ibn
Saba' nutzte diese Umstände voll aus.
Die zentrale Kommandostelle der Sabaiten in Ägypten verbreitete eine Propagandaflut gegen
Utman (r). In jeder Stadt tauchten Briefe auf, in denen über Zwangs- und Notlagen anderer
Städte berichtet wurde. Sabaitische Agenten am Ort sorgten für die Verbreitung dieser
Briefe, und nach kurzer Zeit mussten die Bewohner einer Stadt denken, dass ihr Los das
glücklichste sei und dass in anderen Teilen des Reiches unerträgliche Verhältnisse
herrschten. Die Schuld daran schoben sie dem Kalifen zu.
Da die Verbreitung von Nachrichten damals schwierig war, erfuhren die Menschen nicht, wie
das Leben in anderen Provinzen wirklich war. Die Sabaiten nutzten diese Situation zu ihrem
Vorteil aus.
Ein alter Gefährte des Propheten wird
ausgenutzt
Schon zu
'Umars Zeit war Mu'awiya Gouverneur von Syrien. Er war ein sehr kluger und geschickter
Herrscher und jeder Lage gewachsen. Die sabaitischen Agenten hatten daher in Syrien keinen
Erfolg. Abu Darr AI Gifaryy (r), ein wohlbekannter Gefährte des Propheten, Allahs Segen
und Friede auf ihm, lebte in Syrien. Er hielt sich stets fern von weltlichen Dingen und
Geldgeschäften. Nach seiner Meinung sollten die öffentlichen Gelder bei Eingang sogleich
an die Armen verteilt werden. Er war gegen das Horten von Geld in der Staatskasse.
"Staatsgeld ist Volksgeld", sagte er, "und sollte
jeweils sofort verteilt werden."
Mu'awiya war
jedoch anderer Meinung: Er hielt es für richtig, dass die öffentlichen Einkünfte für
Notfälle in der Zukunft zurückgelegt werden sollten. Er nannte das Staatsgeld
"Allahs Geld", und er meinte damit, dass der Kalif berechtigt sei, das Geld so
zu verwenden, wie er es im Interesse der Muslime für notwendig hielt. Abu Darr dachte
anders. Ibn Saba' versuchte, aus der Meinungsverschiedenheit zwischen dem Gouverneur
und dem ehrwürdigen Sahaba des Propheten seinen Vorteil zu ziehen. Er ging zu Abu
Darr und sagte:
"Es ist
seltsam, dass Mu'awiya Staatsgeld als "Allahs Geld" bezeichnet. Er meint damit,
dass das Volk nichts über die Verwendung öffentlicher Gelder zu sagen habe." Abu
Darr ging Ibn Saba' leicht in die Falle. Er suchte sogleich Mu'awiya auf und sagte:
"Was
meinst du damit, dass du die öffentlichen Gelder als "Allahs Geld"
bezeichnest?"
"Lieber
Abu Darr", entgegnete Mu'awiya freundlich, "wir alle sind Allahs Diener. Daher
ist all unser Geld, Allahs Geld! "
Diese Antwort
stellte Abu Darr aber nicht zufrieden.
"Nun
gut", sagte Mu'awiya, "in Zukunft will ich dieses Geld "öffentliches
Geld" nennen."
Abu Darr ging
noch auf einen anderen Punkt ein: Er mahnte, dass die Reichen kein Recht hätten, Reichtum
anzusammeln. Alles, was ihre notwendigen Bedürfnisse übersteige, sagte er, sollte an die
Armen gegeben werden. Um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen, zitierte er die
folgenden Verse des Qur'an(9:34f.):
"Und
jenen, die Gold und Silber horten und es nicht für Allahs Weg verwenden - ihnen verheiße
schmerzliche Strafe.
An dem Tage,
wo es (Gold und Silber) im Feuer der Gahannam glühend gemacht wird und ihre Stirnen und
ihre Seiten und ihre Rücken damit gebrandmarkt werden (, wird ihnen gesagt): "Dies
ist, was ihr für euch selbst gehortet habt; kostet nun, was ihr zu horten pflegtet."
Auch hier
unterschieden sich Mu'awiya und Abu Darr. Mu'awiya war der Meinung, dass ein Mann, der 2,5
% Zakah bezahlt habe, sein übriges Geld für sich verwenden könne, Abu Darrs Standpunkt
machte großen Eindruck auf die Massen; denn der überwiegende Teil des Volkes war arm,
und es wollte an den Segnungen des Reichtums teilhaben. So gewann Abu Darrs Bewegung
schnell an Boden.
Mu'awiya
schrieb darüber an Utman (r). Der Kalif schrieb zurück, dass Abu Darr nach AI-Madina
geschickt werden solle mit allen Ehren, die man ihm schulde. In Al-Madina rief Abu Darr
die gleiche Bewegung ins Leben. Utman (r) ließ ihn zu sich kommen und sagte: "Lieber
Abu Darr! Ich werde das Volk zwingen, alles zu zahlen, was es Allah und Seinem Gesandten
schuldet. Als Gegenleistung will ich die Rechte, die das Volk mir gegenüber hat,
garantieren. Aber ich kann niemanden zwingen, die Welt aufzugeben." "Gut, dann
schicke mich weg von Al-Madina", sagte Abu Darr. "Der Prophet sagte mir, dass
ich AI-Madina verlassen solle, wenn es sich zu einer weltlichen Stadt entwickelt."
Utman sandte
nun Abu Darr in ein kleines Dorf fern von Al-Madina. Er gab ihm einige Kamele mit und auch
zwei Diener, die für ihn sorgen sollten.
Quellen der Unzufriedenheit
'Abdullah Ibn
Saba' und seine Anhänger taten alles, was sie konnten, um die Unzufriedenheit über Utman
(r) zu schüren. Andererseits trifft es jedoch zu, dass sich unter Utman manches
verschlechtert hatte. Als Utman (r) Kalif wurde, funktionierte das Staatswesen
reibungslos; in den folgenden
Jahren schlichen sich aber allmählich störende Faktoren ein.
'Umar (r) hatte seinen Offizieren nicht erlaubt, Eigentum außerhalb ihres Geburtsortes zu
erwerben. Einer seiner Gouverneure bat einmal um die Erlaubnis, ein Haus in einer
Provinzhauptstadt bauen zu dürfen.
"Nein", erwiderte 'Umar (r), "du hast ein eigenes Haus in Al- Madina, du
brauchst kein weiteres Haus, solange du dieses hast."
Mit dieser
Politik hielt 'Umar die führenden Familien des Islam in der Hauptstadt. 'Utman (r) wich
von dieser Politik ab und erlaubte dem Volk, sich niederzulassen und Eigentum zu erwerben,
wo es wollte.
Das Ergebnis
war, dass die führenden Familien der Qurais sich auf verschiedene Städte verteilten und
dort mächtig wurden, Dies führte dazu, dass sich eine einflussreiche Oberschicht
bildete, und jede Familie versuchte, die andere zu übertrumpfen.
Die Banu
Umayya und die Banu Hasim waren alte Rivalen. Die beiden ersten Kalifen Abu Bakr und 'Umar
gehörten keinem dieser beiden Stämme an.
Aber Utman
gehörte zu den Banu Umayya und gab seinen Verwandten hohe Staatsämter, was die
Angehörigen der Banu Hasim und ihre Anhänger kränkte. In späteren Jahren geriet Utman
(r) zu sehr in die Abhängigkeit eines seiner Verwandten, Marwan, einem sehr schlauen
Mann, der beim Volk jedoch unbeliebt war.
Während
Utmans Kalifat kam die Erweiterung des islamischen Reiches fast zum Stillstand. Männer,
die vorher durch Kriege ganz in Anspruch genommen waren, begannen nun, sich für Politik
zu interessieren.
AI-Kufa,
Al-Basra, Ägypten und Syrien waren wichtige Militärbasen. Diese Stützpunkte waren meist
in den Händen von Männern, die nicht mit dem Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm,
zusammengelebt hatten. Das Prinzip der Gleichheit im Islam war ihnen etwas Unbekanntes.
Sobald 'Umars starke Hand nicht mehr war, verfielen diese Offiziere in die alte Art, mit
dem Volk umzugehen: Sie wollten eher die Herren als die Diener des Volkes sein, und sie
trachteten
danach,
denselben Komfort und Luxus zu haben wie die alten persischen und byzantinischen
Herrscher.
Dadurch entstand eine Kluft zwischen Herrschenden und Beherrschten. Der freie Geist des
Islam wurde zurückgedrängt. Das Volk, das früher Gleichheit kannte, war natürlich
erbittert. Und der einfache Mann, der sie in vollem Ausmaß unter 'Umars Herrschaft
kennengelernt hatte, gab dem neuen Kalifen die ganze Schuld.
Konferenz in Al-Madina
In allen
Teilen des Reiches wuchsen Unzufriedenheit und Unruhe. Auch in Al-Madina spürte man ihre
Auswirkung. Alle führenden Sahaba drängten deshalb den Kalifen, etwas dagegen zu tun.
Utman (r) willigte ein, und er schrieb an alle Gouverneure, ihn während des Hagg im Jahre
34 n.H. aufzusuchen.
Der Kalif und die Gouverneure trafen sich zu einer Konferenz.
"Was ist
der wahre Grund der Unruhe?" fragte Utman (r).
"Es ist
das Werk der Aufrührer", antworteten sie. "Sie bewerfen den Kalifen und seine
Mitarbeiter mit Schmutz. Sie wollen die Regierung stürzen."
"Wie
kann man dem Einhalt gebieten?" fragte Utman.
Verschiedene Vorschläge wurden gemacht. In einem waren sie sich jedoch alle einig: Sie
sagten, dass der Kalif eine unnachgiebige Haltung gegenüber den Unruhestiftern
einnehmen müsse. Utman stimmte dem nicht zu. In einer ergreifenden Rede sagte er zu den
Gouverneuren:
"Ich habe eure Meinungen gehört. Ich fürchte, es ist die vom Gesandten Allahs
vorausgesagte böse Zeit. Wenn es so ist, will ich alles tun, was in meiner Macht steht,
um sie mit Güte und Vergebung hinauszuzögern. Ich will mit meinen Taten beweisen, dass
ich nicht versäumt habe, Gutes für das Volk zu tun. Wenn ich morgen vor Allah trete,
darf kein Tadel an mir haften. Ich bin sicher, dass die böse Zeit kommen wird. Aber
verflucht soll Utman sein, wenn er sein Leben beendet und dazu beigetragen hat, dieses
Unglück näherzubringen." Die Konferenz ging zu Ende, und Utman (r) erlaubte den
Gouverneuren, sich zu verabschieden. Mu'awiya sagte: "Führer der Gläubigen! Ich
glaube nicht, dass du in Al-Madina sicher leben kannst. Du solltest besser mit mir nach
Syrien kommen."
"Selbst
wenn man mir den Kopf abschlägt", antwortete Utman, "will ich Al-Madina nicht
verlassen. Um keinen Preis werde ich mich aus der Umgebung des Propheten, Allahs Segen und
Friede auf ihm, entfernen.
"Dann erlaube mir, einige Truppen aus Syrien zu deinem Schutz zu schicken",
sagte Mu'awiya.
"Nein",
war die Antwort, "ich will nicht, dass Menschen, die in der Nähe des Propheten,
Allahs Segen und Friede auf ihm, wohnen, meinetwegen in Schwierigkeiten geraten."
Dann sandte der Kalif vier Männer, die ihm über die Lage berichten sollten, auf eine
Rundreise durch die Provinzen. Drei von ihnen meldeten, dass die Verhältnisse normal
seien. 'Ammar Ibn Yasir aber, der nach Ägypten ausgesandt worden war, kam nicht zurück,
und der Gouverneur von Ägypten setzte den Kalifen davon in Kenntnis, dass 'Ammar zu den
Sabaiten übergelaufen sei.
Die Lage spitzt sich zu
Die Feinde
des Kalifen planten einen allgemeinen Aufstand während der Zeit, in der die Gouverneure
zur Konferenz in AI-Madina weilten. Aber das Komplott konnte nicht ausgeführt werden. Die
Aufrührer von Al-Kufa jedoch erlaubten ihrem Gouverneur nicht, die Stadt zu betreten, als
er von der Konferenz zurückkam. Sie wollten Abu Musa Al-As'aryy als Gouverneur haben. Der
Kalif entsprach ihrer Forderung und ernannte Abu Musa zum Gouverneur von Al-Kufa.
Die Aufrührer ersannen nun einen anderen Plan. Ihre
Rädelsführer von jeder Provinz beschlossen, sich in AI- Madina zu treffen. Sie wollten
die Verhältnisse in der Hauptstadt erkunden, um danach ihr weiteres Vorgehen zu
bestimmen.
Also trafen
sich die Rädelsführer aller Provinzen außerhalb von AI-Madina. Der Kalif erfuhr davon
und sandte zwei Männer ihres Vertrauens zu ihnen. Die Männer kamen mit einer
alarmierenden Nachricht zurück. Sie sagten, dass die Rädelsführer auf Unheil versessen
seien. Sie beabsichtigten, zurückzukehren und den Leuten zu sagen, dass der Kalif sich
geweigert habe, ihre Beschwerden anzuhören. Im folgenden Jahr wollten sie dann an der
Spitze einer großen Menschenmenge nach Al-Madina ziehen, um den Kalifen zu töten. Utman
(r) hörte die Nachricht ruhig an, unternahm aber nichts.
Dann kamen
die Rädelsführer nach Al-Madina. Der Kalif war über ihre Pläne unterrichtet. Einige
Leute waren der Meinung, dass sie alle getötet werden sollten; denn sie glaubten, das
würde die Quelle des Übels zum Versiegen bringen. Aber der Kalif entgegnete:
"Ich
kann niemanden ohne ausreichende rechtliche Grundlage töten. Diese Leute leben mit
verschiedenen Missverständnissen. Ich will versuchen, sie aufzuklären. Ich will sie mit
Güte und Vergebung auf den richtigen Weg bringen. Wenn diese Mittel versagen, dann will
ich mich Allahs Willen fügen."
Utman weist die Anschuldigungen gegen ihn
zurück
Der Kalif
rief alle führenden Männer von AI-Madina ebenso wie die Rädelsführer, die aus den
Provinzen gekommen waren, zusammen und richtete folgende Worte an sie: "Man sagt, ich
hätte einige Viehweiden für die allgemeine Benutzung vorbehalten. Bei Allah, ich habe
keine Weide zurückgehalten, die nicht vor mir schon zur allgemeinen Nutzung freigegeben
war. Auf diesen Weiden grasen die Tiere, die Staatseigentum sind.
Mehr noch: diese Weiden stehen jedermann zur Verfügung. Nur
diejenigen sind von der Benutzung ausgeschlossen, die durch Bestechung mehr erlangen
wollten, als ihnen zusteht. Was mich betrifft, habe ich nicht mehr als zwei Kamele, die
mir zur Zeit des Hagg dienen. Ihr alle wisst, dass zu der Zeit, bevor ich Kalif wurde,
niemand in Arabien mehr Tiere besaß als ich.
Ich habe
beglaubigte Abschriften des Qur'an in alle Teile des Reiches gesandt. Nun gibt es Leute,
die mir das zum Vorwurf machen. Ihr alle wisst, dass der Qur'an ein von Allah (t)
offenbartes einziges Buch ist.
Die Sahaba,
die dieses Buch unter den Augen des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm,
niedergeschrieben haben, leben noch. Sie sind es, die die Abschriften, die ich überall
hingeschickt habe, zusammengetragen haben.
Man sagt, ich hätte junge Männer zu Offizieren ernannt. Tatsache ist, dass nicht das
Alter, sondern die Fähigkeit und der Charakter meine Wahl bestimmt haben. Die hier
anwesenden Männer aus den Provinzen können die Tüchtigkeit und Ehrenhaftigkeit meiner
Offiziere nicht leugnen. Wegen seiner Jugend allein kann niemandem die Fähigkeit für ein
Amt abgesprochen werden. Der Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, gab Usama den
Oberbefehl über eine Armee, obwohl dieser jünger war als alle Männer, die ich ernannt
habe.
Es wird
behauptet, ich hätte dem Gouverneur von Ägypten die ganze Beute von Nordafrika als
Belohnung gelassen. In Wirklichkeit erhielt er nur ein Fünftel des fünften Teiles
dessen, was dem Staat zustand. Bereits vor meiner Zeit als Kalif gab es Beispiele solcher
Belohnungen, Als ich jedoch erfuhr, dass das Volk dagegen war, nahm ich das Geld vom
Gouverneur zurück.
Man wirft mir
vor, dass ich meine Verwandten liebe und sie belohne. Es ist keine Sünde, seine
Verwandten zu lieben. Aber diese Liebe hat mich niemals zu Ungerechtigkeiten gegenüber
anderen Menschen verleitet. Was die Belohnungen anbelangt, habe ich keinem Verwandten
etwas aus der Staatskasse gegeben, es sei denn, er hat einen Anspruch darauf gehabt. Ich
beschenke sehr wohl meine Verwandten, jedoch nur aus meiner eigenen Tasche. Ich machte
ihnen
Geschenke,
ehe ich Kalif wurde. Jetzt, da ich alt bin und nicht mehr lange leben werde, will ich
nichts für mich zurückbehalten. Ebensowenig wie ich für mich selbst etwas aus der
Staatskasse nehme, tue ich es für meine Verwandten. Die Einkünfte jeder Provinz kommen
ausschließlich dem Volk dieser Provinz zugute. In den Staatsschatz von Al-Madina kommt
nur der fünfte Teil der Beute. Dieses Geld wird vom Volk selbst in Notzeiten verbraucht.
Man sagt, ich
hätte Land an meine Freunde verschenkt. Das ist nicht wahr. Viele Leute aus Al-Madina
begleiteten die kämpfenden Truppen. Einige von ihnen ließen sich in den eroberten
Ländern nieder, wo sie Land erwarben. Später kamen einige von ihnen nach Al-Madina
zurück. Das einzige, was ich getan habe, ist, dass ich in verschiedenen Teilen des
Reiches ihr Land verkauft und ihnen den Erlös erstattet habe." Der Kalif fragte
seine Zuhörer, ob seine Angaben wahr seien. Alle bestätigten es. Jedem Anwesenden wurde
klar, dass alles, was dem Kalifen zur Last gelegt wurde, falsch war. Aber niemand hatte
eine Idee, wie man den Kalifen in den Augen des Volkes von dem falschen Verdacht befreien
könnte.
Der Marsch der Aufrührer nach Al-Madina
Die
Rädelsführer kehrten in ihre Provinzen zurück. Sie sagten den Leuten, dass der Kalif
nicht bereit sei, die "Missstände" abzustellen. Sie warteten den nächsten Hagg
ab, und als die Zeit des Hagg näherrückte, entschlossen sie sich, starke Gruppen von
Al-Basra, Al-Kufa und Ägypten auszusenden, scheinbar zur Pilgerfahrt. Von Makka sollten
diese Gruppen dann nach AI-Madina marschieren und die Sache mit dem Schwelt entscheiden.
Der Kalif hatte von diesem Komplott der Aufrührer lange zuvor
Kenntnis erhalten. Aber er wollte keine Gewalt gegen seine Feinde anwenden. Er war
entschlossen, sie mit Liebe zu gewinnen oder bei diesem Versuch umzukommen.
Im Monat Sawwal des Jahres 35 n.H. brachen die Aufrührer von Al-Basra, Al-Kufa und
Ägypten auf, und zwar in kleinen Gruppen. Von jeder Provinz waren es etwa 1000 Mann. Sie
marschierten nach Al-Madina und lagerten einige Kilometer vor der Stadt an drei
verschiedenen Plätzen. Einige Ägypter kamen zu 'Alyy (r) und forderten ihn auf, ihr
Anführer zu sein. Er lehnte dies jedoch ab. Einige Männer von Al-Basra gingen zu Talha
(r) mit der gleichen Aufforderung und erhielten dieselbe Antwort. Die Aufrührer von
Al-Kufa stellten das gleiche Ansinnen an Az-Zubair (r). Aber auch er weigerte sich, an
ihren schändlichen Plänen teilzunehmen.
Alyy schickt die Aufrührer weg
Als Utman (r)
erfuhr, was die Aufrührer vorhatten, ging er zu 'Alyy und bat ihn, seinen Einfluss auf
die Unheilstifter geltend zu machen und sie wegzuschicken.
"Sagte ich dir nicht schon so oft", sagte 'Alyy,
"du solltest dich nicht von deinen Verwandten führen lassen?"
Aber du hast
auf Marwan, Mu'awiya, Ibn 'Amr, Ibn Abi Sara und Sa'id Ibn Al-'As gehört. Wie kann ich
nun diese Leute zurückschicken?"
Utman
versicherte 'Alyy, dass er sich in Zukunft von seinem Rat leiten lassen werde und nicht
mehr auf seine Verwandten hören wolle.
"Es
wäre besser, wenn du das öffentlich in der Moschee bekanntgäbest", sagte 'Alyy.
"Dadurch würde jedermann erfahren, dass sich die Politik ändert. Die Aufrührer
würden dann keine Ausrede mehr haben, um Unruhe zu stiften."
Also ging
Utman (r) in die Moschee und sagte:
"Wenn
ich Fehler gemacht habe, bitte ich Allah um Vergebung. Ich fordere alle einsichtigen
Männer unter euch auf, mir den richtigen Rat zu geben. Bei Allah , wenn es sich um die
Wahrheit handelt, bin ich sogar bereit, dem Rat eines Sklaven zu folgen. Ich verspreche,
mich von euren Wünschen leiten zu lassen. Ich will nicht länger auf Marwan und seine
Leute hören."
Am Ende
seiner Ansprache liefen Tränen über seine Wangen, und auch die Zuhörer begannen zu
weinen. Dann ging 'Alyy zu den Ägyptern und versicherte ihnen, dass die Ursachen all
ihrer Klagen beseitigt würden. Sie schienen zufriedengestellt zu sein und machten sich
auf den Weg nach Ägypten. Auch die Aufrührer von Al-Basra und Al-Kufa reisten in ihre
Städte ab, und der Sturm schien vorüber zu sein
Der gefälschte Brief
In Al-Madina
glaubte jeder, dass die Unruhen zu Ende seien. Aber plötzlich hallten die Straßen der
Stadt von den Rufen den Aufrührer wider. Sie scharten sich um das Haus des Kalifen und
umringten es von allen Seiten. Laute Rufe "Rache! Rache!" erfüllten die Luft
von Al-Madina.
'Alyy (r) ging zu den Ägyptern und fragte, warum sie zurückgekommen seien.
"Du hast uns versichert", sagten sie,
"dass unseren Beschwerden nachgegeben würde, aber wir sahen einen Boten
eilig hinter uns herkommen. Wir hielten ihn an und durchsuchten ihn. Dabei fanden wir
einen Brief vom Kalifen an die Gouverneure mit dem Befehl, uns alle zu töten, wenn wir
zurück seien. Hier ist der Brief. Er trägt das Siegel des Kalifen. Dies ist ein glatter
Treuebruch, und dafür muss der Kalif büßen!"
"Und warum seid ihr zurückgekommen?" fragte 'Alyy die
Aufrührer von Al-Kufa und Al-Basra.
"Wir
mussten unseren ägyptischen Brüdern helfen", sagten sie. "Aber eure Wege
gingen doch in ganz andere Richtungen! Wie konntet ihr da Kenntnis von dem Brief haben,
wenn ihr schon einige Meilen von eurem Weg zurückgelegt hattet?" Darauf erhielt
'Alyy keine Antwort.
"Es ist klar", sagte er, "dass ihr ein Komplott geschmiedet habt. Ihr
scheint entschlossen zu sein, es auszuführen." "Sag, was du willst",
antworteten die Aufrührer, "wir wollen Utman nicht als Kalifen. Allah hat uns ein
Recht auf sein Blut gegeben. Auch du solltest unserer Sache dienen!"
"Bei Allah ", antwortete 'Alyy (r), "ich will mit euch nichts zu tun
haben."
"Warum hast du uns dann Briefe geschrieben?" fragten sie.
"Was
für Briefe?" sagte 'Alyy verwundert. "Bei Allah, ich habe euch niemals etwas
geschrieben!"
'Alyy merkte,
dass er nichts mehr ausrichten konnte; die Aufrührer schienen entschlossen, ihn in
die Sache hineinzuziehen, und er sah, dass seine Lage schwierig wurde. Daher
brach er nach Al-Garuza auf, einem Ort einige Meilen von Al-Madina entfernt.
Die Aufrührer zeigten den Brief dem Kalifen und fragten:
"Stammt dieses unser Todesurteil von dir?"
"Ich schwöre bei Allah, dass ich nichts von diesem Brief weiß", entgegnete
Utman (r).
"Nun, dann bist du nicht fähig, weiter Kalif zu sein", brüllten die
Aufrührer. "Wenn du den Brief geschrieben hast, ist es klar, dass du nicht weiter
Kalif sein kannst. Aber wenn ein anderer ohne dein Wissen diesen Brief geschrieben hat,
kannst du es auch nicht bleiben. Denn wenn solch wichtige Befehle ohne dein Wissen
abgesandt werden können, solltest du nicht weiter an der Spitze des Staates stehen. Wir
verlangen, dass du das Kalifat abgibst!"
Utman (r) wies diese Forderung zurück.
"Ich will nicht mit meinen eigenen Händen das Ehrenkleid ablegen, das Allah mir
verliehen hat", sagte er.
Die Belagerung
Als die
Aufrührer sahen, dass Utman (r) das Kalifat nicht aufgeben wollte, belagerten sie sein
Haus. Die Belagerung dauerte 40 Tage, und die Situation wurde von Tag zu Tag kritischer.
Die Belagerer verboten sogar, den betagten Kalifen mit Wasser zu versorgen.
Außer dem Kalifen und seiner Familie waren noch andere Männer im
Haus, unter ihnen Al-Hasan, Al-Husain, Muhammad Ibn Talha, 'Abdullah Ihn Az-Zubair,
Abu Huraira, Marwan und andere. Diese Männer dienten dem Kalifen als Schutz, und es kam
zu einigen Zusammenstößen zwischen ihnen und den Belagerern. Dabei wurden Al-Hasan
und Marwan verwundet, Marwan sogar schwer. Die
Aufrührer
vermieden jedoch eine offene Schlacht. Sie wussten, dass die Leute der Banu Hasim wegen
Al-Hasan und Al-Husain in den Kampf gegen sie eingreifen würden.
Während der Belagerung wurde 'Abdullah Ibn 'Abbas von Utman nach Makka gesandt. Er sollte
den Hagg als Stellvertreter des Kalifen leiten. Der Kalif schickte auch Boten zu den
Provinzgouverneuren, die ihnen von der Belagerung berichten sollten.
Als die Not
durch die Belagerung wuchs, bat Al-Mugira Ibn Su'ba den Kalifen, endlich etwas zu
unternehmen. Er machte ihm drei Vorschläge.
"Komm
aus dem Haus heraus", sagte er, "und kämpfe gegen die Aufrührer. Du hast
Männer bei dir, und das Volk von Al-Madina wird auch an deiner Seite kämpfen. Dazu bist
du im Recht, und die Wahrheit muss gewinnen. Oder verlasse das Haus durch die Hintertür
und versuche, Makka zu erreichen. In der heiligen Stadt können die Aufrührer nicht Hand
an dich legen. Oder gehe nach Syrien. Dort wirst du unter dem Schutz Mu'awiyas sicher
sein."
Utman (r) antwortete darauf:
"Dem
ersten Vorschlag stimme ich nicht zu, weil ich nicht als erster Kalif das Blut von
Muslimen vergießen will. Auch den zweiten Vorschlag nehme ich nicht an; denn ich will
nicht, dass die heilige Stadt Makka in Gefahr gerät. Der dritte Vorschlag ist ebenfalls
unannehmbar; denn auf keinen Fall will ich die Nähe des Gesandten Allahs aufgeben."
Die Lage wurde von Tag zu Tag schlimmer, aber Utman (r) fühlte sich verpflichtet, Böses
mit Liebe zu bekämpfen, selbst wenn es sein Leben kosten sollte.
Utman wird ermordet
Utman (r)
benutzte nur eine einzige Waffe, das waren seine gütigen und sanften Worte. Er stieg
mehrmals auf das Dach seines Hauses und sprach zu den Aufrührern. Er sagte ihnen, wie
nahe er dem Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, gestanden und welche Dienste er
dem Islam erwiesen habe. Aber seine Worte fielen in taube Ohren. Nichts konnte die
Belagerer von ihrem üblen Tun zurückhalten.
Als der Tag des Hagg| näher kam, wuchs die Unruhe der Aufrührer. In wenigen Tagen
würden Hunderte von Männern vom Hagg zurückkehren, und auch aus den Provinzen könnte
Hilfe für den Kalifen eintreffen. Sie mussten ihr Komplott sogleich ausführen, wenn es
nicht zu spät sein sollte. Daher musste schnell gehandelt werden.
Utmans Haus war sehr groß. Al-Hasan, Al-Husain, Muhammad
Ibn Talha und 'Abdullah Ibn Az-Zubair hielten Wache am Haupttor, und die Aufrührer
wollten sich mit diesen Männern nicht in einen Kampf einlassen; denn das hätte deren
Blutsverwandte zur Rache bewogen. Um dies zu vermeiden, schlichen sich mehrere
Rebellen über die rückwärtige Mauer und drangen so zum betagten Kalifen vor; die Wachen
am Haupttor merkten nicht, was im Haus vorging.
Utman (r)
saß da, hatte das Heilige Buch aufgeschlagen vor sich und rezitierte den Qur'an. Muhammad
Ibn Abi Bakr führte die Gruppe der Mörder an. Er ergriff den Bart des Kalifen und zog
daran.
"Mein
lieber Muhammad", sagte Utman, wobei er ihm in die Augen blickte, "wenn dein
Vater noch am Leben wäre, würde er dein Verhalten nicht billigen!"
Bestürzt
wich der junge Mann zurück.
Da schlug ein anderer Mann dem Kalifen mit einer Axt auf
den Kopf, ein
dritter versetzte ihm einen Streich mit dem Schwert. Na'ila (r), die treue Gattin Utmans,
wollte ihren Mann schützen; dabei wurden ihr die Finger abgeschlagen.
Dann fielen
alle Verschwörer über den betagten Kalifen her und verwundeten ihn sehr. Einer von
ihnen, ' Amr Ibn Hamq, schlug ihm schließlich den Kopf ab.
Die Nachricht von Utmans grausamer Ermordung war ein harter Schock für jedermann. 'Alyy
war wie betäubt, als er es hörte, und eilte sofort nach Al-Madina.
"Wo wart ihr", tadelte er seine beiden Söhne Al-Hasan und Al-Husain, "als
der Führer der Gläubigen ermordet wurde?"
Genauso zornig war er auf 'Abdullah Ihn Az-Zubair und die anderen, die am Tor Wache
gestanden hatten.
Utman (r) wurde am Freitag, dem 17. Du-1-Higga des Jahres 35 n.H., ermordet.
Nach der
Ermordung des Kalifen plünderte die Bande sein Haus. Dann eilten sie zum Baitu-1-Mäl und
raubten ihn aus. Von Grauen gepackte Menschen sahen hinter verschlossenen Türen die
Blutorgie. Niemand wagte es, ihnen Einhalt zu gebieten; Al-Madina schien den Aufrührern
ausgeliefert zu
sein. Drei
Tage lang lag Utmans Leichnam unbeerdigt; denn die Rebellen erlaubten nicht, ihn zu
bestatten. Schließlich wandten sich einige Leute deswegen an Alyy. Auf sein Verlangen
wurde die Beerdigung endlich erlaubt.
Am späten Abend trugen 17 Männer den Leichnam zum Friedhof von AI-Madina und begruben
ihn dort.
Das war das Ende Utmans, des Apostels von Liebe und Frieden. Er wollte Blutvergießen
unter allen Umständen vermeiden und tat sein Äußerstes, um Betrügerei und Gewalt mit
Liebe und Güte zu begegnen.
Der Versuch schlug nicht ganz fehl; denn Utman (r) erreichte mit der Aufopferung seines
eigenen Lebens sein Ziel, ein Bürgerkrieg im gesamten islamischen Reich blieb aus
vorläufig.
Die zwölf Jahre von Utmans Kalifat
Utman (r) war
etwa zwölf Jahre Kalif. Verglichen mit dem Kalifat 'Umars erscheint dieser Zeitabschnitt
trostlos, und am Ende dieser Periode gewannen die Kräfte der Gesetzlosigkeit
die Oberhand. Aber auf Utman fällt kein Teil der Schuld.
'Umars Kalifat war eine Zeit der Eroberungen, die eine Flut von Reichtum zur Folge hatten.
'Umar selbst brach einmal in Tränen aus, als er die Schätze in der Moschee des
Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, aufgehäuft sah.
Nach dem Grund seines Weinens befragt, sagte er, dass Reichtum immer Neid und Bosheit
erzeuge und dass diese der wahre Ursprung der Uneinigkeit seien. 'Umar (r) hatte
vollkommen recht; seine Befürchtungen erfüllten sich in den Jahren nach seinem Tode.
Auch der
Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, hatte eine Periode großer Unruhe
vorausgesagt. Diese Zeit ging mit dem Wohlstand des Volkes einher. Eines Nachts
wachte er
beunruhigt auf; er war bewegt und sagte:
"Alle Ehre gebührt Allah! Welch großen Reichtum hat Er meinem Volk beschert! Und
welcher Unfriede ist durch diesen Reichtum im Volk entstanden!"
Schon von
Beginn der Unruhen an war sich Utman (r) sicher, dass nun die vom Gesandten Allahs, Allahs
Segen und Friede auf ihm, vorausgesagte böse Zeit gekommen war.
Nach seiner Meinung war das Unheil unvermeidbar und musste so kommen. Er konnte es
verzögern, aber nicht aufhalten, und er glaubte, dass Härte und Strenge es früher
bringen würden. So versuchte er, den Beginn der Unruhe durch Güte und Vergebung
hinauszuschieben. Das waren die Waffen, auf die er sich verließ. Wenn sie nicht wirkten,
war es nicht Utmans Fehler; es war die Schuld der Männer, die Recht und Unrecht nicht
unterscheiden konnten.
Auch eine andere Voraussage des Gesandten Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, hielt
sich Utman ständig vor Augen. Sie lautete:
"Wenn
meine Nachfolger sich erst einmal untereinander mit dem Schwert bekämpfen, wird das so
bis zum Jüngsten Tag bleiben."
Die beiden
Kalifen vor Utman kämpften mit dem Schwert gegen die Feinde des Islam, führten aber
niemals eine Armee gegen Muslime. Aber jetzt erhoben Muslime die Waffen gegen Utman.
Sollte er sein Schwert gegen sie ziehen? Er hätte es leicht tun können. Die Zahl der
Aufrührer war nie größer als 3000 Mann, und Al-Madina hatte schon viel größere Heere
zurückgeschlagen. Wenn Utman (r) sein Schwert ergriffen hätte, wären Hunderte von
Schwertern für ihn bereit gewesen; außerdem hätte er Truppen aus Syrien rechtzeitig zur
Verfügung haben können, so dass er jede Menge von Aufrührern hätte vernichten können.
Aber nichts konnte ihn dazu bewegen, von der Waffe Gebrauch zu machen; denn dadurch wäre
er zum ersten Kalifen des Islam geworden, der das Blut von Muslimen vergossen hätte. Denn
wenn die Waffen einmal ergriffen sind, werden sie nicht mehr weggelegt, und Utman (r) war
der letzte, der einen Fluch über die Muslime bringen wollte, der immer auf ihnen lasten
würde, Es war weitaus leichter für ihn, sein Leben hinzugeben. Daher entschloss er sich,
diesen Weg zu wählen; er gab sein Leben, damit sein Volk vom Fluch des Schwertes
verschont bliebe.
'"Utman
ist der bescheidenste meiner Sahaba", sagte einst der Gesandte Allahs, Allahs Segen
und Friede auf ihm. Seine Bescheidenheit verließ Utman auch nicht, als er Herrscher eines
großen Reiches geworden war. Er war großzügig und weichherzig und war jederzeit
geneigt, die Fehler anderer zu übersehen. Wirklich hohe Tugenden! Ob er als Oberhaupt
eines großen Reiches noch weitere Qualifikationen hätte benötigen müssen, weiß Allah
am besten. Er war nicht hart, fest und schnell genug; sein weiches Herz erlaubte ihm
keinen harten und festen Kurs. Er wusste sehr wohl, wohin der Weg der Liebe führen
würde, aber er war bereit, diesen Preis mit seinem Leben zu bezahlen.
Da Utman (r)
gütig zu allen Menschen war, war er es besonders zu seinen Verwandten. Einige von ihnen
zogen ungebührend Vorteil daraus, indem sie sich bemühten, alle Macht in ihre Hände zu
bekommen. Viele Schlüsselstellungen im Reich wurden von ihnen oder von ihren Freunden
besetzt. Marwan gewann solche Macht über den alten Kalifen, dass er zuweilen in seinem
Namen handelte, ohne ihm mitzuteilen, was er tat, und der Kalif musste Kritik hinnehmen
für die Handlungen Marwans.
Utmans Glaube
und Mut haben wenig Parallelen in der Geschichte. In der Nähe des Propheten, Allahs Segen
und Friede auf ihm, zu sein bedeutete ihm mehr als alles andere, sogar mehr als sein
Leben. Nichts konnte ihn von AI-Madina vertreiben, wo der Prophet, Allahs Segen und Friede
auf ihm, zur ewigen Ruhe gebettet war. Der Tod starrte ihm ins Gesicht, aber er hieß ihn
willkommen, weil er durch ihn ein Grab in AI-Madina bekam. Dieser Tod in AI-Madina war ihm
wertvoller als sein Leben anderswo. Das erklärt die kühle Entschlossenheit, mit der er
dem Tod begegnete.
Trotz innerer Unruhen weitete sich das Reich unter Utmans Kalifat weiter aus. Nordafrika
kam hinzu, Aufstände in verschiedenen Teilen wurden rasch niedergeschlagen. Byzanz konnte
keinen Vorteil aus den inneren Wirren des islamischen Reiches ziehen.
Im Grunde war
Utmans Ermordung die Folge politischer Meinungsverschiedenheiten: Eine Gruppe von Männern
wollte ihm das Kalifat nehmen; denn sie wünschten sich einen anderen Kalifen, aber die
Art und Weise ihres Vorgehens war falsch. Bis dahin wurden die Kalifen durch die Stimme
des Volkes gewählt.
Die Sahaba
waren die Vertreter der öffentlichen Meinung, und durch die Mehrheit ihrer Stimmen wurde
entschieden, wer Kalif werden sollte. Die Aufrührer von Al-Kufa, Al-Basra und Ägypten
kümmerten sich nicht um diese Tradition, sondern setzten die Gewalt an ihre Stelle.
Diese Methode hatte eine weitere unglückliche Folge: In religiösen Gruppen setzten sich
politische Parteien fest, und diese Gruppen spalteten sich weiter. Die Einigkeit der
Muslime erhielt dadurch einen schweren Schlag, es bildeten sich Sekten, und was der
Prophet, Allahs Segen und Friede auf ihm, vorausgesagt hatte, trat ein: Das Schwert
trennte seine Nachfolger, und dabei blieb es.
Utman (r)
leistete dem Islam einen großen Dienst, indem er gleichlautende Abschriften des
Qur'an in die Provinzhauptstädte schickte. Dies war notwendig geworden, weil
man sich über die Art, wie das Heilige Buch zu rezitieren sei, nicht einig war; im Irak
wurde es anders gelesen als in
Syrien. Der
Kalif erfuhr davon im Jahre 30 n.H.
"Wir übernehmen die Weise von Abu Musa Al-As'aryy", sagten die Iraker.
"Und wir folgen der Art von Al-Miqdad Ibn Al-Aswad", erklärten die Syrer.
Utman (r) brachte die Frage vor die Sahaba, und alle stimmten darin überein, dass die zu
Abu Bakrs Zeit hergestellte Abschrift die richtige sei. Nach Abu Bakr gelangte sie in die
Hände 'Umars, und nun war sie im Besitz von dessen Tochter Hafsa (r). Utman erhielt diese
Kopie. Zaid Ibn Tabit (r), einer der vertrauenswürdigen Schreiber der Offenbarung, wurde
gebeten, davon sieben Abschriften anzufertigen. Ihm halfen drei Männer, die den Qur'an
auswendig wußten. Auch Zaid (r) konnte den gesamten Qur'an auswendig rezitieren. Zuerst
schrieb er das ganze Buch aus dem Gedächtnis nieder. Dann las er es dreimal einer
Versammlung von Al-Muhagirün und Al-Ansar vor.
Schließlich verglich er diese Niederschrift mit derjenigen aus dem Besitz von Hafsa.
Beide stimmten völlig überein. Nun wurden sieben
Abschriften angefertigt und in die
verschiedenen Teile des Reiches geschickt.
An dieser Stelle soll noch etwas über die Beziehungen zwischen Utman und 'Alyy gesagt
werden. 'Alyy stimmte zwar mit dem betagten Kalifen in vielen Punkten nicht überein -
besonders mißbilligte er, dass andere Männer in Utmans Namen handelten -, aber er tat
nichts, was Utman geschadet hätte. Er riet ihm, sich von Marwan und anderen Umayyaden
loszusagen, aber er redete auch mit den Aufrührern, um sie von ihren Plänen abzubringen,
und lehnte es entschieden ab, ihr übles Vorhaben zu unterstützen.
Als 'Alyy (r) erfuhr, dass die Rebellen dem Kalifen jegliche Wasserzufuhr sperrten, ging
er zu ihnen und sagte:
"Männer, ihr tut da etwas ganz Übles. So etwas tut kein Muslim, nicht einmal ein
Ungläubiger. Warum verweigert ihr Utman Essen und Trinken? Selbst die Perser und die
Byzantiner geben ihren Gefangenen Nahrung und Wasser. Was hat Utman euch denn getan? Warum
belagert ihr ihn? Warum trachtet ihr ihm nach seinem Leben?"
Diese Worte hatten jedoch keine Wirkung auf die Aufrührer. Als 'Alyy dies merkte, warf er
seinen Turban in Utmans Haus; der Kalif sollte wissen, dass er gekommen war, um auf die
Belagerer einzureden, aber keinen Erfolg dabei gehabt hatte.
Utman (r)
wusste, dass 'Alyy aufrichtig war. Er ließ nie ein Wort der Klage gegen ihn fallen. Nur
meinte er, dass 'Alyy ihn mehr hätte unterstützen sollen. Aber 'Alyy hatte
Gründe für seine Zurückhaltung. Er glaubte, dass alle Verwirrung Utmans Ratgebern zu
verdanken sei, und wollte, dass sie gingen. Die Rebellen forderten das Gleiche. Als Utman 'Alyy versicherte, dass er diese Männer absetzen
wolle - dies sagte er öffentlich in der Moschee -, wurden alle Missverständnisse
zwischen den beiden Schwiegersöhnen des Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm,
beseitigt; sie waren wieder so engverbunden wie früher.
Das verstärkte den Hass der Aufrührer. Sie waren es gewohnt, 'Alyy's Namen zu benutzen,
um das Feuer der Unzufriedenheit zu schüren. Wie konnte er nur auf der Seite des Kalifen
stehen? So kam es, dass sie den verhängnisvollen Brief erfanden. Dieser Brief brachte
Utman und * Alyy in eine peinliche Lage und gab den Rebellen einen guten Vorwand, ihre
üblen Pläne auszuführen. Sie weigerten sich einfach, 'Alyy anzuhören. Dieser fühlte
sich hilflos und konnte nichts tun. Deshalb verließ er die Stadt, ordnete jedoch an, dass
seine Söhne am Tor des Kalifen Wache halten sollten.
Das Bemerkenswerteste an Utman (r) war sein Glaube. Er hatte den Propheten, Allahs Segen
und Friede auf ihm, sagen hören, dass der Bürgerkrieg niemals enden würde, wenn er
einmal ausgebrochen sei. Utman wollte nicht derjenige sein, der ihn auslöste, und niemand
sollte seinetwegen das Schwert ziehen. Am letzten Tag seines Lebens gab es einen Kampf
zwischen den Belagerern und den Wächtern am Tor. Die Rebellen wollten mit Gewalt in das
Haus eindringen; die Sohne 'Alyy's und die Söhne Az-Zubairs und Talhas lieferten ihnen
einen harten Kampf, und Utman hörte dies.
"Nein, meine Lieben", rief er aus, "ich will nicht, dass Blut von Muslimen
vergossen wird, um meinen Kopf zu retten." Indem er dies sagte, schickte er sie alle
heim.
Wenn ein Bürgerkrieg auf Kosten seines Lebens vermieden werden konnte, war Utman (r)
glücklich, diesen Preis zu zahlen. Er glaubte, dass durch seine Selbstopferung das vom
Propheten, Allahs Segen und Friede auf ihm, vorausgesagte Unheil verzögert werden konnte.
Deshalb wollte er weder mit dem Schwert zurückschlagen noch aus der Stadt des Propheten
fliehen. Er starb bereitwillig, damit der Islam leben möge. Für eine große Sache und
eine tiefe Überzeugung brachte er das größte Opfer, das ein Mann bringen kann. So wurde
er in den Rang eines der größten Märtyrer aller Zeiten erhoben.
Quelle: www.dienerallahs.de
|